Zwölfjährige Geigerin:Fast schon vollendet

Lesezeit: 2 min

Verblüffende Emotionstiefe: Maya Wichert in Bad Tölz. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Maya Wichert verblüfft und begeistert das Publikum in Tölz

Von Sabine Näher, Bad Tölz

Wer die Augen schließt und ihrem Spiel lauscht, käme niemals auf die Idee, dass da ein zwölfjähriges Mädchen musiziert. Wenn man sich mit Maya Wichert unterhält, ist sie sehr freundlich, fast ein wenig schüchtern, und sucht nach Worten in der offensichtlich noch ungewohnten Situation, ein kleines Interview für die Zeitung zu geben. Doch wenn sie auf dem Podium steht, die Geige in die richtige Position bringt und den Bogen ansetzt, strahlt sie absolute Ruhe und Souveränität aus.

Mit dem 1. Satz aus Felix Mendelssohn Bartholdys Violinsonate in F-Dur eröffnet sie den Abend im gut besuchten Kleinen Kursaal. Mit welcher Kraft und Entschiedenheit sie das Werk angeht, lässt staunen. Die Sicherheit, mit der sie agiert, die Selbstverständlichkeit, sind verblüffend. Dass sie bei "Jugend musiziert" reihenweise Preise abräumt, ist nur zu verständlich. Mit vier Jahren bekam sie den ersten Geigenunterricht; mittlerweile ist sie eine der jüngsten Studentinnen an der Münchner Musikhochschule. Sie hat bereits Meisterkurse bei den Größen der Zunft absolviert und Erfahrung im Auftritt als Solistin mit Orchester sammeln können.

Dabei ist sie kein "Wunderkind", das man nur auf Technik gedrillt hat, sondern neben der traumwandlerischen Beherrschung derselben ist sie ihrer Jugend unerachtet in der Lage, eine unglaubliche Emotionstiefe zu entwickeln. Sehr nuanciert, farbig, die jugendliche Aufbruchsstimmung perfekt zum Ausdruck bringend, beendet sie den Mendelssohn mit so viel Feuer, dass die Funken sprühen. An ihrer Seite hat sie mit Ayumi Janke eine ebenso einfühlsame wie souveräne Begleiterin am Klavier. Janke, 1980 als Tochter deutsch-japanischer Eltern in München geboren, erhielt Violin- und Klavierunterricht seit frühester Kindheit. Sie konzertiert in Europa wie in Japan als Solistin mit Orchester wie als Kammermusikerin und ist als Korrepetitorin bei renommierten Wettbewerben und Meisterkursen gefragt.

Mit Bedřich Smetanas "Aus der Heimat" folgen zwei stimmungsvolle, am Volkston orientierte Stücke. Ganz zart, verhalten steigt die Geige bei dem ersten davon ein, versprüht leise Melancholie, die den folgenden Gefühlsausbruch umso wirkungsvoller gelingen lässt. Sehnsuchtsvoll-schwelgend hebt das zweite an und entfaltet schließlich eine wilde Ausgelassenheit; die Geige jagt nur so dahin.

Auch in diesem Konzert der Reihe "Bad Tölz - Stadt mit der besonderen Note" hat Anette Hornsteiner, Harfenistin und Lehrerin an der Musikschule, die Moderation übernommen. Max Bruch, sagt sie, hätte sein 1. Violinkonzert op. 26 am liebsten verbieten lassen, weil es - allzu beliebt - den Blick auf sein sonstiges Schaffen verstellte. Hätte Bruch erlebt, mit welcher Leidenschaft eine Zwölfjährige sich dem Werk widmet und eine nahezu vollgültige Interpretation abliefert, es hätte ihn vielleicht doch versöhnt. Bloß der ganz große Bogen geht ihr noch ein wenig ab, aber irgend etwas muss sie ja in ihrem Studium auch noch lernen können. Zwei Stunden täglich übt sie, in den Schulferien mehr.

Sehr gerne würde Maya das Geigenspiel zum Beruf machen wollen, lässt aber anklingen, dass sie schon weiß, welche Hürden sich da auftun können. Als sie mit Henryk Wieniawskis "Scherzo Tarantella" ein erst stumm staunendes, dann tobendes Publikum zurück lässt, fragt man sich: Wenn sie es nicht schafft, wer dann? Eines aber muss sie noch lernen: Den jubelnden Applaus als wohl verdient auszukosten und zu genießen. Maya verbeugt sich nur kurz - und enteilt.

© SZ vom 03.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: