Zwischen den Welten:Der Eishockey-Bürgermeister

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In München daheim, in Geretsried zu Hause: So ungefähr geht es River-Rats-Präsident Thomas Ranft. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Thomas Ranft ist nicht nur Präsident von den River Rats Geretsried - er will für die FDP auch das Münchner Rathaus erobern

Von Florian Zick, Geretsried

Ihn einen Zerrissenen zu nennen, wäre vermutlich ein bisschen übertrieben. Obwohl: Die Stadt und das Land. Auf der einen Seite das große München, auf der anderen das vergleichsweise kleine Geretsried. Hier die politische Bühne, dort das sportliche Spielfeld. Es sind schon zwei sehr unterschiedliche Welten, in denen Thomas Ranft unterwegs ist. Der 66-Jährige überlegt kurz und brummt mit seiner sonoren Stimme dann leise in sich hinein: Ein Zerrissener? Ja, das könnte man schon so sehen.

Ranft ist extra ein bisschen früher aus München rausgefahren. Gleich trifft sich der Vorstand vom ESC River Rats Geretsried, dem örtlichen Eishockey-Verein. Davor wollte er noch kurz einkaufen gehen. Ist einfach angenehmer in Geretsried. Nicht so viel los, in aller Regel immer ein Parkplatz frei. Aber aus dem Abstecher zum Supermarkt wird nichts. Dafür ist Ranft an diesem Abend in den Ratsstuben einfach zu sehr in Plauderlaune.

Sein Doppelleben ging ungefähr vor 25 Jahren los. Damals ging der EC Hedos München pleite. Seine beiden Söhne, beide begeisterte Eishackler, hatten plötzlich keine sportliche Heimat mehr. Ranft und andere Eltern klapperten daraufhin alle großen Münchner Vereine ab, die Bayern, 1860 - aber keiner wollte eine Eishockey-Abteilung gründen. Über Manfred Heinke, in den 1970er Jahren Torwart beim ESC, kam schließlich der Kontakt nach Geretsried zustande.

Seit einem Vierteljahrhundert pendelt Ranft nun ständig zwischen München-Haidhausen und dem bayerischen Oberland hin und her. Seine zwei Söhne, inzwischen beide in ihren Dreißigern, stehen zwar nur noch sporadisch auf dem Eis, die Verbindung nach Geretsried ist aber nie abgerissen. Im Gegenteil: Seit 2006 ist Ranft sogar Präsident bei den rund 600 Mitglieder zählenden River Rats.

Das größte Problem, mit dem Ranft fast seit Beginn seiner Präsidentschaft zu kämpfen hatte, war die Sache mit dem Stadiondach. 2006 war das Jahr, als in Bad Reichenhall das Dach der Eislaufhalle unter einer enormen Schneelast zusammenbrach. Und als auch in Geretsried ein Zuganker riss, war klar: Das Dach muss runter. Traurig, aber natürlich absolut nachvollziehbar, sagt Ranft. Seitdem kämpfen die River Rats dafür, dass ihre Eisfläche wieder einen Deckel bekommt.

Ranft ist froh, dass in der Zeit, in der seine Spieler nun schon unter freiem Himmel übers Eis fegen, nur zwei Spiele wegen zu starken Schneefalls abgebrochen werden mussten. Und in der nächsten Saison hat sich die Ungewissheit für den Bayernligisten sowieso erledigt. Diesen September wird das neue Stadiondach nämlich vermutlich fertiggestellt. Acht Millionen Euro will die Stadt Geretsried dafür ausgeben. "Bei einem städtischen Haushalt von rund 50 Millionen ist das eine stolze Leistung", sagt Ranft.

Nun könnte man sagen: Stadiondach drauf, Lebenswerk erfüllt. Aber ganz so leicht will es sich Ranft nicht machen. Der 1,98-Meter-Mann will ganz behutsam einen Nachfolger aufbauen. Es sei denn, in seinem anderen Leben in München tut sich Erstaunliches. Dort sitzt Ranft seit 2014 nämlich im Stadtrat, erst für die Piraten, seit einem Parteiwechsel vor zwei Jahren für die FDP. Und für genau diese FDP will Ranft 2020 nun als Münchner Oberbürgermeister kandidieren.

Am Sonntag wollen die Liberalen festlegen, ob sie mit Ranft ins Rennen gehen. Große Chancen auf den Chefsessel im Münchner Rathaus hat die FDP freilich nicht. Aber Hackler-Präsident und Münchner OB-Kandidat - das liest sich im Lebenslauf natürlich prima.

Auch in Geretsried wollte die FDP Ranft schon mal als Bürgermeister-Kandidaten positionieren. Als Chef der River Rats wäre der Diplom-Soziologe im Ort sicherlich gut genug vernetzt gewesen. Und auch politisch hat sich Ranft durch das langjährige Pendeln ein gewisses Know-How erarbeitet. Die Verlängerung der S 7 zum Beispiel: Wenn man wisse, dass bis in die 1960er Jahre noch ein Zug nach Geretsried gefahren sei, sei das "so eine traurige Nummer", sagt Ranft. Aber lokalpolitisch gesehen, da bleibt er lieber München treu.

Die Region freilich spielt in seinem Leben trotzdem eine große Rolle. Die alte Eismaschine vom ESC zum Beispiel: Die dreht jetzt in Thanning ihre Runden. Und das herbstliche Drachensteigen mit seinen Söhnen am Hügel in Ergertshausen: Das wird immer eine wunderbare Vater-Erinnerung bleiben. "Das ist hier meine zweite Heimat", sagt Ranft.

© SZ vom 28.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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