Zu Ehren des Hl. Leonhard:Fröhliche Pilger

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Die Bad Tölzer Leonhardifahrt am 6. November ist die bedeutendste Pferdewallfahrt in der Region. Jährlich strömen Tausende Menschen in die Stadt - viele wollen gar nicht beten, sondern einfach nur feiern

Von Petra Schneider, Bad Tölz

Als der Bad Heilbrunner Benediktinerpater Magnus Lorenz Meiller in den 1920er Jahren als Missionar nach Zululand geschickt wurde, nahm er ein Stück Heimat mit: Die Leonhardifahrt, die er im fernen Südafrika mit der Segnung von 1000 Stück Vieh zelebrierte. Die Tölzer Leonhardifahrt ist die bedeutendste Pferdewallfahrt mit überregionaler Bekanntheit. Vor zwei Jahren erhielt sie die Anerkennung als "Immaterielles Kulturerbe Bayerns" und wurde von der Unesco-Kommission in das bundesweite Verzeichnis aufgenommen. Für die Tölzer Bevölkerung und des gesamten Isarwinkels sei sie von "stark identitätsstiftender Qualität", heißt es in der Begründung.

Im vergangenen Jahr wurde die Wallfahrt zu Ehren des Viehpatrons außerdem mit dem "Heimatpreis Oberbayern" ausgezeichnet. Für die Tölzer ist Leonhardi ein Feiertag, der lange als Heiratsmarkt für die bäuerliche Jugend galt. Schon vom frühen Morgen an ist die ganze Stadt auf den Beinen, je nach Wetter kommen 10 000 bis 25 000 Besucher, viele in Tracht.

Die erste verbürgte Pferdewallfahrt zu Ehren des Heiligen Leonhard fand in Tölz im Jahr 1772 statt. Wahrscheinlich liegen die Anfänge aber bereits im Jahr 1743, als eine Viehseuche den Bittgang zur Kapelle auf den Tölzer Höhenberg auslöste. Sie wurde zu Ehren der Muttergottes errichtet und feierte im Sommer ihr 300-jähriges Bestehen. Tölzer Zimmerleute gelobten den Bau, falls sie die Gemetzel der Sendlinger Mordweihnacht im Jahr 1705 überleben sollten. 1910 kaufte die Stadt das Grundstück um die Kapelle für 6500 Mark, um den Fortbestand der Leonhardifahrt zu sichern. Sie findet stets am 6. November, dem Namenstag des heiligen Leonhard, statt, aber nie an einem Sonntag.

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(Foto: Manfred Neubauer)

Eindrücke von der Tölzer Leonhardifahrt 2017: In wochenlanger Arbeit werden Truhen- und Tafelwagen mit Buchs, Tannenreisig oder Wacholder geschmück.

Am Tag der Wallfahrt werden die Rossmähnen und -schweife aufwendig geflochten, die Geschirre geschmückt.

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(Foto: Manfred Neubauer)

Die Frauen tragen kunstvolle Flechtfrisuren und wertvolle Tracht.

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(Foto: Manfred Neubauer)

Die Männer sind ebenfalls in traditioneller Kleidung dabei.

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(Foto: Manfred Neubauer)

Die Pferdewallfahrt findet am 6. November statt, dem Namenstag des Hl. Leonhard, Schutzpatron aller Nutztiere.

Bei der 163. Auflage fahren heuer 77 Wagen mit, die Reihenfolge wird gelost. Seit Wochen ist Leonhardilader Anton Heufelder unterwegs, um die Rosserer persönlich zur Wallfahrt einzuladen, wie es der Brauch ist. Seit Generationen wird die Teilnahme quasi vererbt, neue kämen zu den rund 80 Fahrern nicht dazu, sagt Heufelder, der seit 30 Jahren Leonhardilader ist. In wochenlanger Arbeit werden Truhen- und Tafelwagen von den Bäuerinnen mit Buchs, Tannenreisig oder Wacholder geschmückt. Die Motivwagen zeigen Landschaften oder Szenen aus dem Leben des heiligen Leonhard.

Wegen der steilen Auffahrt zum Kalvarienberg fahren nur Vierergespanne, aus Traditionsgründen sind nur beschlagene Holzräder erlaubt, keine Gummireifen. Die Rossmähnen und -schweife werden aufwendig geflochten, die Geschirre geschmückt. Mädchen und Frauen, auch mit kunstvollen Flechtfrisuren und in traditioneller Tracht, beten den Rosenkranz, Musikkapellen spielen Choräle. Verheiratete tragen den Schalk, Ledige das Mieder.

In den ersten Jahrzehnten war die Leonhardifahrt eine wilde Veranstaltung: In einem Bericht aus dem Jahr 1803, den Christoph Schnitzer in seinem Buch über die Tölzer Leonhardifahrt zitiert, ist von Fahrten in "größter Eile mit Lebensgefahr", "tollkühnen Handlungen" und "Biertaumel" die Rede. Die Wägen seien mit buntem Papier und grellfarbigen Bändern geschmückt gewesen. In einer Predigt verordnete der Tölzer Pfarrer Joseph Pfaffenberg dem ungeordneten Treiben 1856 strenge Regeln, die bis heute gelten. Pläne der Nationalsozialisten, die Leonhardifahrt zu instrumentalisieren und die Wallfahrt in einen großen "Bauerntag" samt "Wotansfahrt" umzuwidmen, sorgte in der Stadt für Widerstand. 1938 wurde die Fahrt wegen einer Maul- und Klauenseuche abgesagt, so die offizielle Begründung, in den Kriegsjahren fiel sie aus.

In den 1960er Jahren nahm die Zahl der in der Landwirtschaft eingesetzten Pferde stark ab. Mit Folgen auch für die Leonhardifahrt, die ihren Tiefpunkt 1970 erreichte, als nur noch 29 Wagen teilnahmen und die Zuschauer weniger wurden. Von mangelndem Interesse kann heute keine Rede mehr sein. Im Jahr 2010 nahmen die Zuschauerzahlen bedenkliche Ausmaße an: An die 30 000 Menschen überschwemmten die Stadt. Schlägereien, Alkoholexzesse - die Pferdewallfahrt drohte aus dem Ruder zu laufen. Weihbischof Wolfgang Bischof kritisierte, dass Veranstaltungen wie die Leonhardifahrt zum "reinen Vergnügen missbraucht" würden und der religiöse Charakter zu einem "Happening" verkomme. Die Stadt erwog ein Alkoholverbot auf dem Kalvarienberg, das aber aus Traditionsgründen abgelehnt wurde. Die Freischankflächen wurden reduziert und ein neues Sicherheitskonzept erarbeitet. Als Reaktion wurde der Samstag als Veranstaltungstag ausgeschlossen, damit nicht Menschenmassen angezogen würden, die nicht mehr kontrollierbar seien, wie Bürgermeister Josef Janker (CSU) in der Nachbesprechung damals erklärte.

In den vergangenen Jahren sei es wieder ruhiger geworden, sagt Heufelder, der die Diskussion 2010 ohnehin "ein bisschen aufgebauscht" fand. Klagen über eine Kommerzialisierung der Wallfahrt sind so alt wie diese selbst. Im Tölzer Pfarrarchiv ist bereits 1803 vermerkt: "Der einzige Nutzen dieser Fahrt ist für Brauer, Köche, Metzger, Bader und Krämer."

Einen schweren Unfall gab es im Jahr 2014: Ein Wagen kam auf der nassen Wiese am Kalvarienberg ins Rutschen und kippte um, zwei Wallfahrerinnen aus Hechenberg mussten ins Krankenhaus. Um die Sicherheit zu erhöhen, wurde die recht steile Wiese befestigt. Das habe sich "bestens bewährt" sagt Heufelder. Vor drei Jahren gerieten die Fuchspelze der Wallfahrerinnen bei Tierschützern in die Kritik. Verständnis für diese Vorwürfe gab es nicht: Fuchspelze seien Teil der Festtagstracht, zudem würden keine Tiere nur wegen ihres Felles gejagt, argumentierten Veranstalter und Teilnehmer. Und beizeiten erfüllen die wärmenden Pelze für die stundenlang reglos in den Wagen sitzenden Wallfahrerinnen gute Dienste - vor zwei Jahren etwa, als Schneefall einsetzte.

Für heuer habe sich wieder Markus Söder angekündigt, sagt Heufelder, auch einige Neuerungen gibt es: Damit die Kurve zum Umrunden der Kapelle nicht mehr so eng ist, wird der Platz davor abgesperrt. Zudem will man einen Beitrag zur Vermeidung von Plastikmüll leisten: Heufelder appelliert an die Wallfahrer, Schnaps nicht in Plastikbechern, sondern in essbaren Behältnissen und "nach gutem Brauch" nur an Bekannte auszuschenken.

© SZ vom 03.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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