Zeitlos schöne Songs:Umjubelte Hit-Parade

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Der Gitarrist, Komponist und Musik-Poet Gerd Baumann kommt wieder nach Gelting. (Foto: Hartmut Pöstges)

Komponist Gerd Baumann feiert im "Hinterhalt" Premiere seines Fimmusik-Programms

Von Susanne Hauck, Geretsried

Was hat den Künstler nur geritten, dass er seinem Programm den Namen "Gerd Baumann's Parade" gab. Als erste scheitert daran "Hinterhalt"-Wirtin Assunta Tammelleo. Sie kündigt die Band als "Paraade" an, wie man es auf gut Deutsch mit langem A sagt, anstatt dem cooleren englischen "pareid", wie es wohl im Sinne des Erfinders war. Einen Moment lang schaut Gerd Baumann etwas verdutzt, ist aber um eine schlagfertige Antwort nicht verlegen: "Jetzt weiß ich, wie man's ausspricht." Im Konzerttitel mit dem falschen Genitiv-S steckt natürlich viel schräger Humor, von dem Baumann eine große Portion mitbringt.

Der Mann mit der wallenden Haarpracht, dem verwegenem Henri-Quatre-Bart und hohem Lässigkeitsfaktor lässt den Blick über den restlos ausverkauften "Hinterhalt" wandern. "Ich bin überwältigt", sagt der preisgekrönte Filmkomponist, der die Musik zu allen Filmen von Marcus H. Rosenmüller geschrieben hat und am Freitagabend mit neuer Formation in der Geltinger Kneipe Konzertpremiere feiert. "Es ist seit zehn Jahren mein Traum, diese Filmsongs live zu spielen." Man muss wissen: Baumann hat nicht nur einfach Soundtracks geschrieben, sondern richtige Lieder mit Text, die bei den Fans hoch im Kurs stehen.

Wenn er nicht gerade mit Komponieren beschäftigt ist, findet man Baumann in der Münchner Musikhochschule, wo er Studenten das Notenarrangement beibringt. Oder zwischendurch auch mal auf einer Bandprobe für Dreiviertelblut, wo er zusammen mit Sebastian Horn ( Bananafishbones) und Benny Schäfer spielt. Heute aber hat er, wie er sagt, alle seine persönlichen Lieblingssongs dabei aus dem ersten Kinohit "Wer früher stirbt", aus der Hippiekomödie "Sommer in Orange" und der Coming-of-Age-Trilogie "Beste Zeit/Beste Gegend". Ein paar bislang unveröffentlichte Sachen sind auch darunter. Die Baumannsche Hit-Parade eben, ganz wie der Titel es sagt.

Baumann ist nicht allein gekommen. Er hat seine Gitarre dabei und Bandkollegen wie Sam Hylton, dessen fast schülerhaftes Aussehen darüber hinwegtäuscht, dass er ein versierter Jazzpianist und zudem ein Kollege von der Hochschule ist. Die nächste ist die souveräne Drummerin Maria Moling ( Ganes, Me + Marie). Letzter in der Vorstellungsrunde, aber dem Applaus nach in der Gunst des Publikums ganz weit vorn, ist Kontrabassist Benny Schäfer, musikalisches Eigengewächs der Region und mit seiner Band max.bab im Hinterhalt praktisch groß geworden.

Rosenmüllers typischer Regiekniff ist es, dass er die Songs im Film so einbaut, dass sie sozusagen im Radio laufen, und das oft nebenbei, während sich die Akteure unterhalten. "Und dann sind sie immer so leise und zwischen vielen Dialogen, das hat mich anfangs geärgert", lästert Baumann. Jetzt aber können Lieder wie "Something's Rising", "What if", "Banana Jack", "Martha", "Disappear" ihre volle Wirkung entfalten, weil sie voll ausgespielt und von Baumann selber eingesungen sind. Er bewegt sich musikalisch zwischen vielen Genres: Blues, Folk, Country, ein bisschen Cat Stevens und unüberhörbar dringt immer wieder der typische Bananafishbones-Sound durch, denn die haben bei den Kinoproduktionen kräftig mitgemischt.

Übrigens ist in Baumanns persönlicher Hitliste nichts Bayrisches dabei, fast alles ist auf Englisch. Viele Stücke sind ruhig, dann wieder groovig und ganz oft ein bisschen schräg. Keine Gassenhauer, sondern ausgefeilte Melodien, die einen emotional warm einhüllen und deren Sound gut ins Ohr geht. Einfach zeitlos schöne Lieder.

Baumann fühlt sich sichtlich wohl, er plaudert und scherzt mit dem Publikum. Weil es sich in den Liedern ganz oft um Herzschmerz dreht, fragt er in den Saal, wer aktuell Liebeskummer hat. Es traut sich tatsächlich jemand von den überwiegend Ü-Vierzigjährigen aufzustehen. Lachen kann er aber auch über sich selber. "Von dem Lied hier war ich sicher, dass es ein Welthit wird", sagt er über den Track "Tricorne". "Aber zum Schluss habe ich gemerkt, dass es nur mir am besten gefällt."

Die Stimmung könnte nicht besser sein, immer wieder jubeln und johlen Zuhörer begeistert, und spätestens bei "Wunderkind" liegen sie Baumann ganz zu Füßen. Schließlich ringen sie ihm die Zusage ab, das Album zum Konzert herauszubringen - eine Bitte, der man sich nur voll anschließen kann. Die Zugabe bestreiten die Musiker mit der einmalig gelungenen Verwandlung des alten "Europe"-Krachers "The Final Countdown" in eine traumhaft leise Ballade. Ein grandioser Abend.

© SZ vom 03.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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