"Wuide Heena 2.0":Vogelwild

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Passend zum bevorstehenden Osterfest präsentiert das Stadtmuseum Bad Tölz eine Ausstellung mit den hölzernen Hühnern des Bildhauers Albert Fiedler

Von Petra Schneider, Bad Tölz

Ostern naht, und auch im Stadtmuseum hat sich eine Schar Hühner eingefunden. Sie scharren und picken, machen sich zum Abflug bereit, ein stolzer Hahn reckt den Kopf. Er ist aus Holz wie sein Harem, aber leuchtend blau. Vater der lebhaften Skulpturen ist der Penzberger Bildhauer Albert Fiedler. Mit der Kettensäge verwandelt er Stämme aus Linde, Pappel, Ulme oder Obstbäumen in aufgeplustertes Federvieh, massives Holz in Bewegung. Es ist gerade dieser Bruch zwischen dem martialischen Werkzeug und den friedlichen Motiven, der Fiedler reizt: Die Dynamik, die entsteht, wenn sich die Zahnkette kraftvoll ins Holz frisst, um eine Momentaufnahme festzuhalten - und die Energie in den Skulpturen spürbar bleibt. Unter dem Titel "Wuide Heena 2.0" sind die ansprechenden Objekte zurzeit im Stadtmuseum zu sehen.

Auf das Huhn ist der 51-Jährige vor fast zehn Jahren gekommen: Sein damals zehnjähriger Sohn brachte, ohne Absprache mit den Eltern, vier Hühner mit nach Hause. "Sie sind seitdem ständig um mich herum, und ihre vielfältigen Bewegungen finde ich faszinierend", sagt der Künstler. Also hat er angefangen, sie in Holz zu bannen. Das Thema sei immer größer geworden - und die Nachfrage auch: Drei Mal hat das Bayerische Fernsehen über das Fiedlersche Federvieh schon berichtet, auch ein Artikel im Magazin "Landlust" habe ihm überregionale Bekanntheit und Kunden unter anderem in Russland und Island beschert. "Offensichtlich sind Hühner eine Marktlücke", sagt Fiedler und lacht.

Seine Holzhühner hält Albert Fiedler im Garten auf Hackschnitzeln. (Foto: Manfred Neubauer)

Ein Symbol für selbstvergessene Zufriedenheit, ein Statement gegen Massentierhaltung? Solche Interpretationen überlässt Fiedler dem Betrachter. "Heile Welt darzustellen war nicht meine Intention", sagt er. "Aber wenn ich glückliche Hühner einfangen kann, ist das schön." Bei seinen Arbeiten geht es ihm nicht um die filigrane Ausgestaltung anatomischer Details, sondern um den Ausdruck von Bewegung und Kraft. Wichtig sei ihm das Wesen, die Essenz einer Figur. "Bildhauerei lebt von der Abstraktion", sagt Fiedler. Der Versuch, Realität und Abstraktion in Einklang zu bringen - bei seinen reduzierten und zugleich ausdrucksstarken Hühnern ist das wunderbar gelungen.

Fiedler hat an der Bildhauerschule in Oberammergau studiert. Nach mehrerer öffentlichen Aufträgen im Bereich Kunst am Bau, die er in Bronze ausgeführt hat, kehrte er zum Holz zurück. Die Färbungen verschiedener Holzarten, der Geruch, die Haptik - "das ist schon meins", sagt er. Manchmal lässt er beim Sockel die Rinde stehen, manchmal wächst ein Huhn aus einer Verzweigung des Stammes, eine Schwanzfeder aus einem gebrochenen Ast. Fiedler mag die Patina, die das Holz mit der Zeit annimmt, die gleichmäßigen Risse, die den Objekten ganz von selbst Harmonie und Dynamik verleihen. Aus einem Stamm schnitzt er fünf, sechs Hühner, und alle seine Objekte sind Unikate.

Albert Fiedler arbeitet mit der Kettensäge - da muss man wissen, wann man aufhören muss, sagt er. (Foto: Manfred Neubauer)

Das Holz kommt aus seinem eigenen Wald, aus den Staatsforsten oder von Privatleuten. "Wenn ich mitkriege, dass jemand einen Obstbaum fällt, bin ich sofort da", sagt er. Meist sieht er schon im Stamm das Huhn, das sich darin verbirgt. Dann legt er die Kettensäge an und befreit es aus dem hölzernen Käfig. Die Schwierigkeit bestehe darin, "zu wissen, wann man aufhören muss", sagt der Künstler. Zum Abschluss flammt er das Objekt mit dem Gasbrenner, damit Höhen und Schnitte angeschwärzt werden und plastischer hervortreten. Skizzen macht er nicht - Fiedler braucht nur in den Garten zu gehen, um seine Modelle zu studieren. Meist belässt er das Holz in seiner natürlichen Farbe, einzelne Exemplare hat er monochrom in Blau oder Rot lackiert. Die Wahl der Farbe sei eine "sehr emotionale Entscheidung", sagt Fiedler. Grün etwa, "das passt für mich nicht zu einem Huhn". Auch bunte Akzente, wie sie eine Kundin kürzlich angefragt habe - farbige Augen, Schnabel oder Kamm - kommen für ihn nicht in Frage. Einzelaspekte zu betonen, das würde die harmonische Oberfläche und die Form in ihrer Gesamtheit stören.

Fiedler hält seine Holzhühner im Garten auf einem überdachten Hackschnitzelfeld. Oft mischten sich ihre fedrigen Schwestern darunter, scharrten und pickten ungeniert umher. "Sie wissen, dass das ihre Kolleginnen sind", sagt Fiedler und lacht.

Ausstellung bis 2. April, Vernissage am Freitag, 16. März, 19.30 Uhr, Stadtmuseum Bad Tölz, Marktstraße 48

© SZ vom 15.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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