Konzert in Wolfratshausen:Experiment geglückt

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Sophia Herbig (vorne) verzichtet gern auf die Position am Dirigentenpult. Bei ihrem ersten Projekt mit der "Sinfonietta" ist ihr Konzept aufgegangen. Nun gibt es eine Fortsetzung. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die "Sinfonietta Isartal" gibt unter der Leitung von Sophia Herbig ein beschwingtes Konzert in der Loisachhalle, bei dem das Publikum mehr als Musik zu hören bekommt.

Von Paul Schäufele, Wolfratshausen

Mit zahlreichen anspruchsvollen Konzerten hat die Sinfonietta Isartal sich als Jugendorchester einen festen Platz im Kulturleben der Region erspielt. Engagiert wurde stets darauf hingearbeitet, die Klassiker des Repertoires überzeugend und vital zu interpretieren. Bei den Konzerten der Pfingstfeiertage in diesem Jahr standen die Klassiker auch auf dem Programm, doch ein Konzert wie viele andere sollte dieses nicht werden.

Das verspricht Sophia Herbig, die das Ensemble von der ersten Geige aus leitet, zu Anfang. "Wir wollen neue, interaktivere Konzertprogramme ausprobieren", sagt sie. Das traditionelle Konzertleben kennt die Geigerin gut, als Stimmführerin der zweiten Geigen im Salzburger Mozarteumorchester. Aber auch der Sinfonietta ist sie alles andere als unbekannt. Hier hat sie vor zwei Jahren als Solistin in Brahms' Violinkonzert brilliert. Nun kehrt sie zurück als Dozentin und Leiterin des Orchesters, das heute in reiner Streicherbesetzung auftritt.

Das heißt, eine Ausnahme gibt es schon, und gleich im ersten Takt. Denn Mozarts "Serenata notturna" (KV 239) setzt mit Paukenschlägen ein - die Kapelle marschiert auf. Ein ungewöhnlich martialischer Anfang ist das, gar nicht serenadenhaft. Passend ist es aber genau, weil der Beginn so überraschend polternd daherkommt, da Mozart diese Serenade für den Salzburger Fasching von 1776 komponiert hat. Der kämpferische Beginn ist ein Faschingsscherz und wird von der Sinfonietta auch so verstanden: Mit lebendiger Artikulation und Spielfreude führen die jungen Musikerinnen und Musiker durch den Mozart'schen Ohrenschmaus, koordiniert von Sophia Herbigs aufmunternden Bewegungen.

Dabei geht das Ensemble keineswegs nur im Marsch-Tempo voran, dazu ist die Komposition zu vielseitig, wie in den gediegeneren, empfindsamen Passagen hörbar wird. Dazu muss Herbig selbst kaum Impulse geben. Das Orchester hat das Stück voll im Griff und kann die Stimmungen der Serenade in eigener Verantwortung flexibel nachvollziehen. Darauf ist es Herbig auch angekommen in der intensiven Probenzeit, in der die Sinfonietta von vier Dozentinnen und Dozenten auf die Konzerte in Wolfratshausen und München vorbereitet worden ist. Außer von Herbig kam Unterstützung von Sophia Kraus (Geige), Elen Guloyan (Bratsche) und Tobias Moll (Cello). Diese sind selbst erfahrene Orchesterspieler, etwa bei den Nürnberger Symphonikern oder der Camerata Salzburg, und konnten ihre Erfahrungen an die (noch) Jüngeren an zwei Wochenenden weitergeben.

Dabei standen auch allgemeinere Fragen im Fokus, an denen nun das Publikum weiterdenken kann. Denn neben erfreulicher Streichermusik darf das Publikum in der Loisachhalle an dem Prozess teilhaben, der die Vorbereitung intellektuell begleitet hat. In kurzen Wortmeldungen geben einzelne Mitglieder der Sinfonietta Einblick in Fragen der Formanalyse oder des historischen Kontexts der Stücke. So erfährt man beispielsweise, dass das Rondeau-Finale der Serenade ein Potpourri zeitgenössischer Tänze des achtzehnten Jahrhunderts ist. Entsprechend klingt das dann unter den Händen der Sinfonietta-Spieler, elegant bis pompös im Fall der Gavotte, leichtfüßig beim Rigaudon.

Tänzerisch ist auch der Rest des Programms. Mit fünf "Deutschen Tänzen" von Franz Schubert kann man echte Partymusik der Frühromantik hören, so der anschauliche Kommentar zum Werk. Dass diese fünf kleinen Sätze charmante Charakterstücke werden, liegt ohne Zweifel auch an diesen informativen Hintergrunddiskussionen, die die Probenarbeit begleitet haben und die nun in kondensierter Form präsentiert werden. Jeder Kontrast ist genau abgestimmt, jede Phrase abgemessen und zeigt, wie durchdacht hier musiziert wird.

Im Finalstück wird das auf besondere Art deutlich. Béla Bartóks "Rumänische Volkstänze" bieten nicht nur schöne Melodien, die Bartók, den Phonografen stets griffbereit, den Menschen der ungarischen Provinz abgelauscht hat (auch das erfährt man hier). Diese Tänze sind so eingängig wie rhythmisch vertrackt und stellen damit ein Ensemble vor Herausforderungen. Doch die Sinfonietta meistert auch das und gibt die neun Sätze als charaktervolle, expressive Miniaturen. Im letzten Stück gestalten die Jungmusiker ein so wirbelndes Accelerando, dass der Applaus der gut gefüllten Hallen kein Halten mehr kennt.

Das ist Beifall für gelungenes Spiel und instruktive Wortbeiträge, die einen Blick hinter die Kulissen ermöglichen. Allein die Fragerunde im Anschluss ans Konzert muss nicht beibehalten werden. Für ein echtes Gespräch ist das Publikum zu groß, was aber seine Richtigkeit hat, da möglichst viele die Leistung der Sinfonietta hören sollten. Ansonsten ist zu sagen: Das Experiment ist geglückt, auf baldige Wiederholung ist zu hoffen.

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