Neujahrsempfang:Im Dialog über TTIP

Lesezeit: 2 min

Die Bundestagsabgeordneten Barthel und Radwan sind beim Neujahrsempfang des Wirtschaftsforums Oberland uneins über das Freihandelsabkommen

Von Wolfgang Schäl, Wolfratshausen

Im gesellschaftlichen Leben des Landkreises zählt der Neujahrsempfang des Wirtschaftsforums Oberland zu den Höhepunkten. Unternehmer aus allen Branchen, Bürgermeister, Schulleiter und ehrenamtlich Engagierte treffen sich im Wolfratshauser Krämmel-Forum nicht nur zu Small-Talk und kollektivem Schulterklopfen: Es geht dabei immer auch um eine Momentaufnahme des globalen und lokalen Geschehens. Schwerpunkt der Veranstaltung war diesmal ein von Landrat Josef Niedermaier moderierter Dialog zwischen den Bundestagsabgeordneten Alexander Radwan (CSU), Klaus Barthel (SPD) und Bauunternehmer Reinhold Krämmel über das geplante Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU, TTIP.

Zu Beginn stand ein regionales Thema auf der Tagesordnung: Gerd Christian Angele von den Tölzer Coaches und Horst Niegel, der Vorsitzende des Vereins "Arbeit für Jugend", berichteten von den Erfolgen und Problemen ihrer Arbeit mit Azubis und Schulabgängern.

Was die globale Lage betrifft, entwarf Gastgeber Krämmel am Montag ein düsteres Szenario: "Die Welt droht aus den Fugen zu geraten", sagte der Unternehmer und Aufsichtsratsvorsitzende des Wirtschaftsforums, der mit ernster Miene die Krisenherde in aller Welt aufzählte. "Terror und Gräueltaten, Ebola, Umweltkatastrophen: Das alles macht uns fassungslos." Spätestens der Anschlag in Paris vermittle die Gewissheit, "dass unsere Freiheit mitten in Europa bedroht ist". Es sei "ein Angriff auf unsere Grundrechte". Umso entschlossener müsse sich die europäische Wertegemeinschaft gegen diese Bedrohungen zur Wehr setzen. Ein davon abweichendes Bild zeichnete Krämmel vom Wirtschaftsleben: Inflation und Zinsen, die gegen Null tendieren, ein Bundeshaushalt, der - bei allerdings verrottender Infrastruktur - erstmals ohne Neuverschuldung auskomme, und boomender Export. In Optimismus übte sich Landrat Niedermaier. "Wir werden das Jahr 2015 meistern", beschwor er die Unternehmer, wenngleich er das, was man derzeit über das geplante Handelsabkommen vernehme, als "nicht befriedigend" bewertete. Da gelte es, sagte Niedermaier an die beiden Abgeordneten gewandt, "die zwei Seiten der Medaille zu betrachten und das, was uns beunruhigt, herauszuarbeiten".

Unternehmer, Bürgermeister, Schulrektoren und Ehrenamtliche verfolgten mit großem Interesse die Diskussion über das geplante Freihandelsabkommen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Vorteile des geplanten Abkommens stellte Radwan in den Vordergrund. TTIP werde einen gemeinsamen Wirtschaftsraum kreieren, der dazu beitragen könne, dem Mittelstand den Marktzugang zu erleichtern. Als ein Mittel dazu nannte Radwan die Schaffung von gemeinsamen technischen Standards. Kritisch betrachtete er die aktuell diskutierten Formen der Schiedsgerichtsbarkeit zwischen der EU und den USA. Diese lösten Verunsicherung aus, und deshalb müsse dies auch in den nationalen Parlamenten offengelegt werden, forderte Radwan. Man müsse hier "der Legendenbildung zuvorkommen". Manche Dinge wie der Datenschutz sind Radwan zufolge "nicht verhandelbar". Allerdings müsse man auch vermeiden, das Abkommen zu überfrachten.

Angesichts einer weiter wachsenden Globalisierung warnte Barthel vor einer "allzu einfachen Liberalisierungsphilosophie", die darauf hinauslaufe, "dass die Großen freie Bahn haben und die Kleinen alles zahlen". Die Notwendigkeit von Normierungsprozessen sah auch Barthel, die aber seien weltweit ohnehin im Gange. Einmal mehr betonte Barthel die Notwendigkeit von "Positiv-Listen" bei der Daseinsvorsorge: Wenn die Zuständigkeit beispielsweise für Wasser und Abwasser nicht eindeutig klar sei, werde man Schwierigkeiten bekommen und Liberalisierungsprozesse in Gang setzen, die nachträglich niemand rückgängig machen könne. Als warnendes Beispiel nannte Barthel das aggressive Auftreten des via App arbeitenden US-Taxidienstes Uber. Ein wichtiger Punkt ist für Barthel auch der Verbraucherschutz, der in den USA , anders als in Europa, nach dem Haftungs- und nicht nach dem Vorsorgeprinzip geregelt werde.

An die versammelten Gäste gewandt, fragte Niedermaier abschließend, wer denn jetzt schon das geplante TTIP-Abkommen rundum ablehnen würde. Nur wenige hoben zögernd die Hand.

© SZ vom 21.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: