Wolfratshausen:Am Ufer vor der Tür

Lesezeit: 3 min

Zwei Kaufleute kämpfen gegen den geplanten Archiv-Neubau an der Loisach - und wollen mit einem Bürgerantrag die Entscheidung des Stadtrats zu Fall bringen.

Matthias Köpf

Das Ambiente zwischen den leeren Obstkisten und den Abfalltonnen ist verschwörerisch, und die Mienen sind grimmig: Ganz hinten im Nebenzimmer des "Wolfratshauser Obststadls" am Loisachufer stehen Hausherr Robert Heckel und sein Nachbar Stefan Högl und planen etwas, was ein paar Meter weiter im Rathaus bei Bürgermeister Helmut Forster (BVW) als schwere Unbotmäßigkeit ankommt.

Vor Högls und Heckels Ladentüren darf derzeit geparkt werden. (Foto: Hartmut Pöstges)

Selbst die CSU hatte sich murrend der in einem unübersichtlichen Prozess gefällten Ratsentscheidung für ein neues Stadtarchiv am Altstadt-Ufer der Loisach gebeugt. Heckel und Högl aber sammeln Unterschriften für einen Bürgerantrag und wollen das Thema so noch einmal aufs Tapet und die Entscheidung zu Fall bringen.

Heckel hat schon Anfang März Listen ausgelegt. In seinem Obststadl und einer Handvoll anderer Läden waren schnell mehr als 200 Unterschriften zusammen. Vier Wochen ist das her, und seitdem haben Heckel und sein Mitstreiter Högl zwar mit dem Zählen, nicht aber mit dem Sammeln aufgehört. Wohl die Hälfte der Signaturen stamme von auswärtigen Kunden, doch um die 500 dürften laut Heckel für den Bürgerantrag zählen.

Die nötigen 172 Wolfratshauser Wahlbürger für habe man jedenfalls beisammen, sagt der Konditor und Café-Betreiber Högl, der sich sonst auch außerhalb der Backstube gern in weißer Berufskleidung zeigt. An dem Tag trägt Högl aber eine dunkle Daunenweste über dem Pullover und eine grob gestrickte Wollmütze, was unterstreicht, dass mit ihm momentan nicht gut Kuchen essen ist. Wenn er höre, dass der Högl nach einer Umgestaltung des Ufers ein paar Tische rausstellen könne, dann könnte er diesen Leuten an die Gurgel gehen, erregt er sich. Denn mit ihm selbst habe aus dem Rathaus oder dem Stadtrat noch nie jemand geredet.

Der Bürgermeister antwortet auf Anfragen stets, dass das Archiv nur vier Stellplätze kosten werden, was bei weit mehr als 120 Plätzen rundum keinen Laden in den Ruin treiben werde. Doch Heckel und Högl geht es längst nicht mehr nur um den Neubau vor ihren Ladentüren. Der soll der Einstieg in die seit langem diskutierte Umgestaltung des Loisachufers sein. Und die werde noch mehr Parkplätze kosten, fürchten Heckel und Högl. Nach Rathaus-Angaben sind es 21.

Parkplätze aber sind nach Überzeugung der beiden Unterschriftensammler genau das, was die Kunden wollen - vor allem die oft älteren, die nicht zum Flanieren in die Stadt kommen, sondern für ihren täglichen Bedarf einkaufen, sagt Obsthändler Heckel. "Diese Entscheidung fällt am Küchentisch", ergänzt Högl, und ohne Parkplätze werde sie eben gegen die Altstadt und für die Peripherie oder gar für Geretsried fallen. Wolfratshausen müsse den Kunden aus dem Umland zeigen, dass sie willkommen sind, und zwar auch mit Parkplätzen.

Die Umgestaltung des Loisachufers, die Heckel als "Prestige-Projekt" der Politiker und Högl als reines "Gutmenschen-Projekt" ohne wirtschaftlichen Sinn ansieht, werde da ebenso wenig bringen wie der Umbau des Markts zu Einbahnstraße vor einigen Jahren etwas gebracht habe. Die aktuellen Leerstände an Ober- und Untermarkt werten beide als Zeichen eines schleichenden Niedergangs, und damit es nicht noch schlechter wird, soll eben besser alles so bleiben wie es ist. Einzig eine echte Fußgängerzone könnte helfen und würde dann auch einer Flaniermeile an der Loisach einen Sinn geben, sagt Heckel. Aber so eine Fußgängerzone werde es in Wolfratshausen niemals geben, so wie es auch keine Umgehungsstraße geben werde.

Ihre vielen Unterschriften wollen Heckel und Högl am Donnerstag hinüber ins Rathaus bringen, damit sich die Stadträte damit befassen müssen. Zuvor wollen sie aber noch die Lage in den Fraktionen sondieren. Die CSU steht bei Heckel im Wort, bei einer Initiative aus der Bürgerschaft den Kampf gegen den Archiv-Beschluss noch einmal aufzunehmen.

Auch die SPD ist nicht restlos zufrieden mit dem Neubau, weil sie das alte Vermessungsamt neben dem Rathaus lieber für die Stadt genutzt hätte, statt es an einen Investor zu vergeben. Aus Forsters BVW hat bisher einzig der Uhrmacher Fritz Koch angemerkt, dass die Parkplätze am Loisachufer auch für den Untermarkt von größter Bedeutung seien. Für Forster selbst ist das Parkplatz-Problem "nur gefühlt" und werde zudem mit einem Parkdeck am Hatzplatz ohnehin bald gelöst.

© SZ vom 13.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: