Wolfratshausen:Am Ende der Worte

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Um den tödlich verunglückten Hans Oberender trauert neben seiner Familie eine ganze große Schule

Von Stephanie Schwaderer, Wolfratshausen

Was Hans Oberender seinen Kollegen und Schülern bedeutet hat, lässt sich wohl kaum in Worte fassen. "Er war übel nett", sagt ein Mädchen. "Der Inbegriff der Lebendigkeit", sagt ein Elftklässler. An diesem Dienstag, genau eine Woche nach dem tödlichen Autounfall des 35-Jährigen, sind es weniger die Worte, die trösten, als die schiere Präsenz und der Zusammenhalt unter den Trauernden. Mehrere hundert Schüler und Lehrer des Penzberger Gymnasiums sind nach Wolfratshausen gekommen, um zusammen mit Angehörigen und Freunden Abschied zu nehmen. Die Schlange vor der Aussegnungshalle wird länger und länger. Und die Nantweiner Kirche ist viel zu klein.

Die meisten Jugendlichen und viele Erwachsene stehen deshalb vor der Kirche, alle mit Blick zur Tür. Mucksmäuschenstill harren sie aus. Eine Stunde lang. Und noch eine. Ein Junge wird ohnmächtig, stürzt auf ein Grab. Er wird in aller Ruhe versorgt und heimgebracht. Die anderen stehen weiter still, halten Rosen in den Händen, warten. Sie hätten ausschlafen und sich einen lustigen Vormittag machen können, die Schule hat den Unterricht für diesen Tag abgesagt. Aber sie sind da. Dass keine Lautsprecher installiert wurden und kein Wort von innen nach draußen dringt, nehmen sie mit erstaunlicher Gelassenheit. "Und wieder hat die katholische Kirche eine Chance vertan, junge Menschen zu erreichen", diagnostiziert Stephan Hecht am Rande. Der erfahrene Lehrer mit den freundlichen Augen ist Mitglied der Schulleitung und Religionslehrer. Er hat in den vergangenen Tagen viel getröstet und erklärt, immer wieder versucht, Antworten zu geben. "Herauszufinden, welche Antwort für einen in Frage kommt, das ist wohl eine lebenslange Aufgabe", sagt er. Natürlich schüre ein solcher Schicksalsschlag Zweifel. Er selbst habe sich als Jugendlicher schwer getan mit dem Glauben. Mittlerweile sei er sich sicher, "dass das hier nur eine vorübergehende Geschichte ist". Die Schulgemeinschaft hat in der vergangenen Woche viel getrauert. Der Weihnachtsgottesdienst am Montag war Oberender gewidmet, am Abend fanden sich Schüler und Lehrer unter freiem Himmel zusammen, zündeten Kerzen an, lasen Texte. "Es wird nie wieder wie vorher sein", sagt ein Jugendlicher. "Auch in einem positiven Sinn. Selbst die strengsten Lehrer haben geweint und gezeigt, dass sie auch Menschen sind."

Mehrere hundert Trauergäste haben am Nantweiner Friedhof von dem beliebten Lehrer Hans Oberender Abschied genommen. (Foto: Pöstges)

Bei Hans Oberender stand das wohl nie in Frage. Am Grab - dort ist ein Mikrofon installiert - erinnert Studienrat Fritz Janocha noch einmal an den außergewöhnlichen, charismatischen Kollegen, der eine "Frohnatur" gewesen sei, ein kompetenter, zupackender und hilfsbereiter Mensch, der viele Mittagspausen damit verbracht habe, Kollegen oder Schülern zur Seite zu stehen. "Er hatte immer eine Lösung parat - und oft war es eine naheliegende." Seine Liebe habe den schönen Dingen des Lebens gegolten, vor allem aber seiner Familie. Die steht ganz innen in dem riesigen Kreis, der sich rund um das offene Grab gebildet hat. Am Schluss versagt dem Lehrer die Stimme. Manches lässt sich nur schwer in Worte fassen.

© SZ vom 24.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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