Das dünne Rechteck misst nur 52 mal elf Zentimeter und ist aus Blech. Trotzdem frohlockte Stadtrat Richard Kugler (CSU), als hielte er eine wertvolle Trophäe in den Händen: Endlich könne er damit nicht nur auf seinem Traktor fahren. Da mochte sich auch Manfred Fleischer, Fraktionssprecher der CSU im Stadtrat, nicht länger zurückhalten. Fest drückte er Kugler die Hand. "Dafür hast du ja lange gekämpft."
Der Grund für die überbordende Ausgelassenheit der Stadtpolitiker am Donnerstagnachmittag war das neue WOR-Kennzeichen. Das können Traditionsbewusste bei den Zulassungsstellen in den Landkreisen Bad Tölz-Wolfratshausen, Starnberg und München beantragen. Dem Wolfratshauser Bürgermeister Helmut Forster (BVW) und allen Stadträten, die es wollten, übergab Landrat Josef Niedermaier (FW) am Donnerstag in der Wolfratshauser Kfz-Zulassungsstelle ihr Wunschkennzeichen.
Der Landrat hatte offensichtlich Vergnügen an dem Termin. Er habe ja angedroht, dass nur derjenige das Nummernschild bekomme, der es persönlich bei ihm abhole, scherzte er. Die Reform in ihrer jetzigen Form hält Niedermaier zwar für einen großen Schmarrn. Denn jetzt könne auch ein Tutzinger oder Bernrieder das WOR-Kennzeichen beantragen. Dennoch begrüßte er, dass nun jeder seine Individualität ausdrücken könne. Er erwarte noch weitere Veränderungen: "Das ist der Einstieg in die Kennzeichenindividualisierung."
Forster nahm als erster das wiederaufgelegte Altlandkreis-Zeichen entgegen. "Es ist eine tolle Geschichte, als Wolfratshauser wieder mit dem alten Kennzeichen zu fahren", sagte er. Denn schließlich identifiziere er sich mit seiner Stadt. Das bedeute aber nicht, dass sich Wolfratshausen in irgendeiner Form vom Landkreis abspalten wolle. Fleischer erklärte das WOR-Kennzeichen zum Identifikationssymbol. Er rechne damit, dass viele Bürger dem Beispiel der Stadträte folgen. "Das wird eine Massenbewegung." Der Landrat freilich wird sein TÖL-Kennzeichen behalten. "Ich bin ein gebürtiger Tölzer. Da würde ich mich ja selber unglaubwürdig machen."
Das Nummernschild bekam nur, wer alle erforderlichen Unterlagen wie Fahrzeugbrief, Schein und sein altes Nummernschild dabei hatte. Da musste Stadtrat Peter Ley, der ohne all dies gekommen war, gleich wieder gehen. Auch die einzige Frau in der munteren Herrenrunde, BVW-Stadträtin Veronika Daffner, kam mit leeren Händen. Ihr Mann sei Halter des Fahrzeugs, erklärte sie. Von ihm müsse sie erst die erforderlichen Unterlagen holen. Stadtrat Alfred Fraas (CSU) hatte dagegen sein altes TÖL-Kennzeichen dabei, das er erst vor gut einer Woche ebenfalls in der Wolfratshauser Zulassungsstelle beantragt hatte. Ihm händigte Landrat Niedermaier das WOR-Nummernschild sofort aus.
Dem Beispiel der Stadtpolitiker sind inzwischen fünf Dutzend Landkreis-Bewohner gefolgt. Sie haben sich das WOR-Kennzeichen in den Zulassungsstellen abgeholt, sagte am Freitag Georg Fischhaber, Leiter der Verkehrsbehörde im Landratsamt. Zudem lägen ihm 900 Reservierungen vor - "ganz schön viel". Fischhaber glaubt, dass sich kommende Woche noch viele melden, danach werde das Interesse abebben.
Ein Bewohner eines anderen Landkreises habe bereits 90 WOR-Kennzeichen reserviert, erklärte der Landrat am Donnerstag . Er warnte davor, Kennzeichen von privaten Anbietern beispielsweise über das Internet kaufen zu wollen. "Machen Sie das bloß nicht." Stadtrat Kugler versäumte auch nicht, auf sein WOR-Fest am 10. August an der Alten Floßlände hinzuweisen. Jeder, der hier mit einem WOR-Kennzeichen kommt, erhält dann ein Freibier.