Wirtschaftsfolgen von Corona:Ruhe vor dem möglichen Sturm

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Die Corona-Krise hat in Tölz bisher nicht zu Firmenpleiten, Wirtshaussterben oder Geschäfts-Leerständen geführt - mit einer Ausnahme. Allerdings warnt der Bürgermeister, dass die wirtschaftlichen Probleme erst noch bevorstehen

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Die wirtschaftlichen Schäden, die das Coronavirus in Bad Tölz angerichtet hat, scheinen sich in Grenzen zu halten. In der Fußgängerzone schließt bisher lediglich der Franchise-Laden "Violas", der exotische Gewürze, Öle, Pasta, Süßigkeiten und andere Delikatessen anbot, infolge der Pandemie. Ansonsten hat Wirtschaftsförderin Sandra Kern noch nichts von drohenden Pleiten vernommen. Nicht von Ladeninhabern, nicht von Gastronomen, nicht von Hotelbetreibern, nicht von Firmenchefs. Alles halb so wild also? Mitnichten, meint Bürgermeister Ingo Mehner (CSU). "Viele denken, es ist vorbei, aber die wirtschaftlichen Probleme werden jetzt erst losgehen."

Noch ist unklar, wie stark auch Bad Tölz davon betroffen sein wird. Als Geldgeber in der Misere kann die Kommune nach Mehners Dafürhalten nicht auftreten. Sein Beispiel: Nähme sie eine Million Euro in die Hand und verteilte sie nach dem Prinzip Gießkanne, bekämen die Empfänger vielleicht jeweils 1000 Euro - das bewahre niemanden vor der Insolvenz. Außerdem stecke in städtischen Subventionen stets die Gefahr einer "Riesen-Marktverschiebung", warnt er. Vielmehr sei es wichtig, "in den nächsten Monaten und Jahren Strukturen zu entwickeln, die allen nützen, und nicht irgendwelche Strohfeuer zu entzünden und verpuffen zu lassen", sagt er. Im Blick hat er dabei vor allem, die Regionalität deutlich zu stärken; überdies soll Bad Tölz attraktiver für Fachkräfte und für junge Leute werden, die hier aufwachsen. Um das zu erreichen, dürfe man jedoch nicht Angst vor Wettbewerb haben, sondern müsse offen für die Ansiedlung neuer Betriebe sei. Denn, so Mehner: "Ein gutes Unternehmen zieht auch gute Unternehmen an." Zum Beispiel in der IT-Branche.

Das Franchise-Geschäft "Violas Gewürze & Delikatessen" in der Tölzer Marktstraße muss wegen der Corona-Pandemie schließen. Bislang ist der Laden der einzige Betrieb, den die Krise in der Kurstadt so schwer erwischt hat. Doch die eigentlichen Auswirkungen zeichnen sich erst noch ab. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Firmen, die schon da sind, haben die Corona-Krise halbwegs überstanden. "Die meisten sind mit einem blauen Auge davongekommen", resümiert Wirtschaftsförderin Kern. Das produzierende Gewerbe, aber auch Handwerksbetriebe hätten weiter arbeiten können, "zumindest in Teilbereichen". Die Stärke von Bad Tölz im Gewerbe sei die mittelständische Struktur, man setze nicht auf den einen großen Betrieb. "Das war Gold wert." Kern selbst erntete ungewöhnlich viel Lob von den Unternehmern, weil sie in der Krise immer wieder Rund-Mails mit aktuellen Corona-Informationen an die Firmen schickte. Dies habe vielen "eine schnelle und gute Orientierung gegeben in einer extrem unübersichtlichen Zeit", sagt Bürgermeister Mehner. Dieser Newsletter war für ihn "eine der großen Hilfen" der Stadt. Ebenso wie das Entgegenkommen etwa bei den Gewerbesteuer-Vorauszahlungen.

Die Gefahr, dass in der Tölzer Fußgängerzone eine ganze Reihe von Geschäften wegen Corona aufgeben müssen, sieht Kern im Moment nicht. Für den Tourismus wären leere Schaufenster alles andere als förderlich. Neben "Violas" weiß die Wirtschaftsförderin nur von zwei Einzelhändlern, die in nächster Zeit vermutlich schließen werden - einer davon deshalb, weil das Haus renoviert wird, der andere macht eine Filiale zu, aber nicht wegen Corona. Andere Läden laufen Kern zufolge sehr gut; als Beispiel nennt sie das "Blue Flamingo Fashion", das ein etwas anderes Bekleidungsangebot für Kinder und Erwachsene habe. Die Veränderungen in der Marktstraße bewegten sich derzeit im Rahmen der üblichen Fluktuation, sagt Kern. Dazu trug auch bei, dass etliche Vermieter ihren Pächtern in der Krise finanziell entgegen kamen. "Es gab viele, die mit ihren Mietern gute Vereinbarungen getroffen haben", sagt Kern. Für die Eigentümer wäre es allerdings auch nicht so einfach, rasch einen Nachfolger zu finden. Im Falle "Violas" ist laut Kern noch niemand in Sicht.

Die Inhaberin von Violas Gewürze & Delikatessen, Paula Pankofer, vor den inzwischen leeren Regalen. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Stadt griff bei den Mieten für Geschäfte nicht hinter den Kulissen ein. Das stünde ihr auch gar nicht zu, sagt Mehner. "Wir reden hier über ein privatwirtschaftliches Verhältnis, es gibt ja auch Vermieter, die ihr Darlehen bedienen müssen." Was Leerstände betrifft, ist Kern zufolge auch nicht die Fußgängerzone eine Problemzone. Schwierig seien vielmehr große Gewerbeflächen in B-Lage, sprich: am Rande des Stadtzentrums.

In der Tölzer Gastronomie gab es bislang noch kein Corona-Opfer. Das "Tölzer Bräustüberl" an der Wachterstraße schloss schon vor dem Ausbruch der Pandemie. Wie die Wirtschaftsförderin mitteilt, laufen bereits Verhandlungen mit einem neuen Pächter. Und das "Al Ponte" in der Römergasse, das vor einem Jahr dichtgemacht wurde, soll jetzt ein mexikanisches Restaurant werden. Eigentlich, sagt Kern halb im Ernst, halb scherzend, habe man damit mehr Restaurants als vor Corona. Aber Tatsache sei dennoch: "Die Gastronomie insgesamt ist stark getroffen." Die Stadt half den Gastwirten nach dem Ende der Ausgangsbeschränkungen, als sie über ihre gestrengen Satzungsparagrafen hinwegsah und die Freischankflächen für mehr Gäste erweiterte.

Ansonsten hofft Mehner darauf, dass der Tagestourismus wieder anzieht. Während der Ausgangsbeschränkungen habe man gesehen, wie stark Einzelhandel und Gastronomie litten, wenn Ausflügler wegblieben, sagt er. Derzeit merke man, dass diese Besucher langsam wieder zurückkehrten. Am Kochelsee und am Walchensee möge das Auftauchen der Tagestouristen "teilweise verheerend" sein, dagegen lebe Bad Tölz geradezu von ihnen. Sie kauften ein, sie gingen in Cafés und Gasthäuser - "sie sind für uns ein wesentlicher Wirtschaftszweig".

Allerdings helfen Gäste, die nur für ein paar Stunden kommen, den Hotels nicht weiter. Immerhin, sagt Kern, gelte in Bayern nicht die Maßgabe, dass die Kapazitäten nur zu 60 oder 70 Prozent ausgelastet sein dürfen. Sofern die Hygiene- und Abstandsregeln eingehalten werden, könnten sie auch ganz belegt sein. "Die Hotels sind gut nachgefragt, wie wir jetzt gehört haben", sagt die Wirtschaftsförderin.

Und wie steht die Stadt finanziell da? Belastbare Zahlen zur neuen Haushaltslage nach Corona, gibt es Mehnert zufolge erst Ende Juli, Anfang August. Sie werden dann in der ersten Sitzung des städtischen Haupt- und Finanzausschusses nach den Sommerferien vorgestellt. So deprimierend dürften die Daten dabei nicht ausfallen. Dafür jedoch 2021. Schließlich sind wichtige Einnahmen einer Stadt durch das Umlage-System nachgelagert. "Nächstes Jahr wird es uns stärker treffen als dieses Jahr", prophezeit Mehner.

© SZ vom 03.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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