Wahlkampfveranstaltung:Wege aus der EU-Krise

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Hannes Gräbner, Bundestagskandidat der SPD. (Foto: oh)

SPD-Bundestagskandidat Hannes Gräbner und Europaabgeordnete Maria Noichl in Bad Tölz

Von Petra Schneider, Bad Tölz

Im Wahlkampfmodus befindet sich Tölzer SPD noch nicht. Nur 13 Genossen kamen am Donnerstag zu einer Veranstaltung ins Posthotel Kolberbräu, darunter einige aus dem Landkreis Miesbach. Eingeladen hatte Walter Sedlmayer, Vorsitzender des Bundeswahlkreises Oberland, dem die Landkreise Tölz-Wolfratshausen und Miesbach angehören. "Fußball ist offensichtlich runder als unser Thema", versuchte er die geringe Beteiligung mit dem Halbfinale im Confederations Cup zu erklären. "Neue Wege in Europa" war der Vortrag von Maria Noichl, Mitglied des Europaparlaments, überschrieben. Auch SPD-Bundestagskandidat Hannes Gräbner war eingeladen. Der 49-jährige Holzkichner nutzte die Gelegenheit nicht, sich bei den Genossen vorzustellen; er beantwortete in der anschließenden Diskussion lediglich direkt an ihn gestellte Fragen.

Noichl warb für eine Weiterentwicklung der EU. Schwachpunkte wie strukturelle Mängel und Demokratiedefizite innerhalb der EU-Gremien müssten behoben werden. Momentan wehe "ein schlimmer Wind in Europa", sagte die Rosenheimerin: Im europäischen Parlament seien drei Parteien vom extrem rechten Rand vertreten. Sie stellten 20 bis 23 Prozent der Abgeordneten, nicht mitgerechnet die Konservativen, denen etwa der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban angehöre. Auch bei den "ganz, ganz Linken" gebe es einen kleinen Teil, der glaube, Europa habe ausgedient. Die Kriterien für eine Aufnahme in die EU seien streng, es werde jedoch nur mehr kontrolliert, ob neue Länder die Stabilitätskriterien erfüllen. "Aber mir ist ein armes Griechenland lieber als ein faschistisches Ungarn", sagte Noichl. Bei der jüngsten Abstimmung in Straßburg sei - gegen die Stimmen der CSU - entschieden worden, Orban "die Rote Karte" zu zeigen.

Momentan werde überlegt, einen Fonds für Länder einzurichten, die Flüchtlinge aufnehmen, so Noichl. Europa leide unter einer Solidaritätskrise, vor allem wenn es um die Verteilung der Asylsuchenden. Gerade die baltischen Staaten verweigerten sich, forderten aber von der EU wegen Russland höhere Rüstungsausgaben. Solidarität sei ein Grundprinzip, "da kann man sich nicht die Rosinen rauspicken." Einen Beitritt der Türkei hält Noichl "in den nächsten Jahren" für nicht vorstellbar. Sie forderte einen "harten Brexit", um Dominoeffekte zu vermeiden. Die Menschen wünschten sich eine "Festung Europa", nicht im Sinne von Stacheldraht, sondern als "Vorreiter gegen Dumpinglöhne, für Umweltstandards und Steuergerechtigkeit." Eine europäische Unternehmensbesteuerung ist für Noichl unerlässlich, damit die "großen Player bei uns Steuern zahlen wie jeder kleine Bäcker auch."

Europa müsse in der Welt Verantwortung übernehmen, sagte Noichl, die stellvertretendes Mitglied im Entwicklungshilfeausschuss des EU-Parlaments ist. Es gehe nicht an, dass in Burkina Faso bayerische Milch verkauft werde. Gegen die Dumpingpreise der EU habe die kleinteilige Landwirtschaft dort keine Chance. Dem Anbau von Soja als Futtermittel für die europäische Massentierhaltung würden in Afrika riesige Flächen geopfert, Unmengen von Wasser für die Produktion von Baumwolle, Rosen oder Tabak verschwendet. "Europa lebt immer noch auf Kosten der anderen". Wenn man diesen Ländern nicht helfe, brauche man sich über Flüchtlingsströme nicht zu wundern. Ein europäisches Heer lehnten sowohl Noichl als auch Gräbner in der anschließenden Diskussion ab.

© SZ vom 01.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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