Wahlkampfthema der Freien Wähler Gemeinschaft:Wider das Wirtshaussterben

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Nach 20 Jahren kehrt Johann Mikschy Bad Tölz den Rücken. Vor wenigen Tagen öffnete er das "ViCulinaris" letztmals für einen Menüabend. (Foto: Manfred Neubauer)

In Bad Tölz und Umgebung klagen Gastronomen über hohe Pachten und eine überbordende Bürokratie

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Nun also auch das "ViCulinaris". Koch Johann Mikschy will das Restaurant für Feinschmecker im Hotel Kolbergarten zum Jahresende schließen. Damit geht das Sterben der Gasthäuser weiter, das in Bad Tölz schon seit einiger Zeit grassiert. Das Starnbräu und der Leonhardi-Keller, das Marché und das Benvenuti, die Trattoria Al Ponte und das Enzo - sie alle haben in den vergangenen Monaten dichtgemacht. Mit dieser Situation befasste sich die Freie Wähler Gemeinschaft (FWG) zum Auftakt ihres Wahlkampfs. "Es muss mehr Gespräche geben zwischen der Gastronomie und der Stadt, wie man sich auf die veränderten Vorgaben und Gegebenheiten einstellen kann", sagte Bürgermeister-Kandidat Michael Lindmair bei dem Treffen unter dem Motto "5 vor12" im Gasthaus Binderbräu.

In Bad Tölz leiden Gastwirte unter anderem unter den hohen Pachten, die von einigen Hausbesitzern im Stadtzentrum verlangt werden. Die Mieten in der Marktstraße seien in den vergangenen Jahren "um das Doppelte raufgegangen", sagte Monika Poschenrieder, Vorsitzende des Fachbereichs Gastronomie im Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) Bayern. Das ist für sie jedoch nicht der einzige Grund, warum zuletzt etwa 20 Wirtshäuser in Bad Tölz und den umliegenden Gemeinden zugemacht haben.

Ein riesiges Problem sei auch die überbordende Bürokratie, so Poschenrieder. Der Wust an immer neuen Vorschriften - von der Dokumentationspflicht über die Hygienerichtlinien bis zur Schädlingsbekämpfung - führe dazu, dass ein Gastwirt heutzutage zu 90 Prozent nurmehr damit befasst sei, "und zu zehn Prozent noch mit seinem Gast". Eine plakative Übertreibung? Mitnichten, meinte Wirt Andreas Binder. "Das stimmt schon so." Als weitere Schwierigkeiten für die Gastronomen zählte Poschenrieder die Lohnstruktur und die im europäischen Vergleich hohe Mehrwertsteuer von 19 Prozent auf. Hinzu kommen für sie ortsspezifische Nachteile: "Es gibt keine große Hotels mehr in Bad Tölz, kein Alpamare mehr", sagte sie. "Das ist ein großer Verlust an Gästen, die fehlen natürlich den Gastwirten."

Die hohen Mieten sind für Lindmair, der als Immobilienmakler arbeitet, ein gewichtiger Grund für die Schließungen in der Kurstadt. Außerdem fehle manchen Hauseigentümern schlicht der Wille zum Investieren. Nach einem Pächterwechsel geschehe da oftmals nichts. Stadtrat Martin Harrer meinte, dass der finanzielle Spielraum für einen Gastwirt meist schon ausgereizt sei, wenn er die Miete in Tölz bezahlt habe. "Da könnte man mal schauen, ob man ihn nicht von der Stadt aus unterstützen kann", sagte er. Allerdings nicht so, dass die Kommune die Pacht übernimmt.

Für Ingrid Dietl sind auch die Gastronomen selbst gefragt. Ein Wirtshaus brauche ein klares Profil, "ein in sich stimmiges und authentisches Konzept", sagte die Unternehmensberaterin für Gastronomie und Hotellerie. Da reiche es nicht aus, in der Wirtsstube "ein paar Kerzerl hinzustellen". Als Vorbild nannte sie den Binderbräu, der neben dem Gasthaus selbst auch ein Volkskundemuseum und eine eigene Brauerei bietet. "Die Gäste möchten zufrieden sein, sie möchten aber auch begeistert sein", sagte sie. In Tölz fehlt nach ihrem Dafürhalten in der Stadtmitte überdies "ein klassisches, bayerisches Wirtshaus" in der Art des Klosterbräustüberls am Reutberg oder des Herzoglichen Bräustüberls in Tegernsee.

Ein Konzept, das Stadt und Gastronomen gemeinsam erarbeiten, regte Gastwirt Binder an. "Es sollte ein Miteinander sein", sagte er. Für Lindmair ist dies "genau der richtige Weg". Als erste Ideen nannte er längere Öffnungszeiten an Sommerabenden, Stadträtin Ulrike Bomhard schlug eine Art Kripperlmarkt am Vichyplatz während des Christkindlmarkts vor. Bad Tölz bietet aus Lindmairs Sicht mit mehr als 300 eigenen Veranstaltungen im Jahr durchaus eine gute Basis für die Gastronomie. Das unterstrich auch Sandra Freudenberg, die das mittägliche Treffen moderierte. Sie verwies auf Sterne-Koch Erich Schwingshackl, der voriges Jahr das Alte Fährhaus übernommen hat. Er habe gesagt, dass Bad Tölz mit seiner Nähe zur Natur und einer gewissen Urbanität durchaus ein guter Platz für gehobene Gastronomie sei.

© SZ vom 16.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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