Vor vollem Saal:Stundenlanger Stau und zögerlicher Breitbandausbau

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Reges Interesse: Bei der Bürgerversammlung hören gut 130 Kochler gespannt zu - auch als Klaus Strauß zum Breitbandausbau spricht. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Bei der Bürgerversammlung in Kochel am See spart Bürgermeister Thomas Holz nicht mit Kritik

Von Petra Schneider, Kochel am See

Anders als in den Vorjahren stand bei der Kochler Bürgerversammlung am Mittwoch nicht das Trimini im Vordergrund: Bürgermeister Thomas Holz (CSU) gab den rund 130 Bürgern einen gut zweieinhalbstündigen Überblick über diverse Projekte der Gemeinde. Kritik gab es beim Breitbandausbau. Bereits im vorigen Jahr habe die Gemeinde eine Vereinbarung mit der Telekom geschlossen, die binnen eines Jahres umgesetzt werden sollte, sagte Holz. Passiert sei bisher nichts, weil sich im vorigen Jahr kein Tiefbauunternehmen finden ließ. Die Arbeiten sollen nun voraussichtlich im April beginnen und bis Jahresende abgeschlossen sein. Dann sei das gesamte Gemeindegebiet von Ried bis Einsiedl mit schnellem Internet versorgt. Klaus-Dieter Strauß von der Telekom entschuldigte sich für die Verzögerung. "Ganz Bayern in drei Jahren komplett umzugraben ist einfach schwierig". 146 Häuser sollen, vor allem in Walchensee, mit Glasfaserkabeln angeschlossen werden. Scharfe Kritik gab es von Dorst-Chef Hubert Löcherer. "Unsere Verbindung im Technologiezentrum ist katastrophal", schimpfte der Aufsichtsratsvorsitzende des Maschinenbauunternehmens, mit rund 350 Mitarbeitern der größter Arbeitgeber in Kochel. "Wir können nicht vernünftig arbeiten." Laut den Ausbauplänen der Telekom seien im Ortsteil Herrenkreuth, dem Sitz des Technologiezentrums, Kupferkabel vorgesehen, die geringere Übertragungsraten bieten. "Wir brauchen aber Glasfaser", forderte Löcherer. Denn im Technologiezentrum gehe es um Forschung, Zahlentransfer und den Kontakt zu Kunden aus aller Welt. Die Telekom habe ihm mitgeteilt, dass eine Glasfaserverbindung im laufenden Förderverfahren nicht möglich sei. Das Unternehmen müsse dies auf eigene Rechnung machen. Kostenpunkt: 60 000 bis 120 000 Euro. "Ich sehe nicht ein, dass wir in der Gemeinde einen nicht unerheblichen Gewerbesteuerbetrag zahlen und dann für unser Glasfaser selbst aufkommen müssen", schimpfte Löcherer. Er wolle seinen Wortbeitrag als "Aufforderung an die Gemeinde" verstanden wissen. Auch am Hauptsitz an der Mittenwalder Straße sei es nur durch harte Verhandlungen gelungen, eine Glasfaserverbindung zu bekommen. "Aber 50 Megabit sind viel zu bescheiden, das muss noch aufgerüstet werden."

Ein drängendes Problem in der Gemeinde ist die Verkehrsbelastung. Die Verhältnisse seien teilweise unerträglich, sagte Holz: stundenlange Staus zwischen Schlehdorf und Kochel, Stop-and-go durch den Ort, Stau bis zum Walchensee. Dort führe die Parkplatzsuche der Ausflügler zu weiterem Chaos. Zudem sei der Durchgangsverkehr beim "üblichen Stau" am Ende der A 95 München-Garmisch eine der Hauptursachen für die starke Verkehrsbelastung. Es könne nicht sein, dass man kleine Kommunen mit dem zunehmenden Erholungsdruck alleine lasse. Inzwischen finde das Problem auf "oberster Ebene" Gehör: Vor einem Monat habe es ein Gespräch im Wirtschaftsministerium gegeben, bei dem er die Situation "in drastischen Worten" geschildert habe, sagte Holz. Seinem Eindruck nach sei angekommen, dass staatliche Maßnahmen nötig seien. Ein weiterer Gesprächstermin stehe bereits fest. Zudem habe das Staatliche Bauamt Weilheim eine Untersuchung des Knotenpunktes an der Kreuzung der Bundesstraße 11 und der Staatsstraße 2062 in Auftrag gegeben.

Um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, will Kochel in den kommunalen Wohnungsbau einsteigen: in einem Neubau auf dem Areal des ehemaligen Verstärkeramts soll im Erdgeschoss der Bauhof untergebracht werden. In drei Obergeschossen will die Gemeinde 16 Wohnungen zwischen 47 und 86 Quadratmetern bauen. Sie sollen mit Aufzug barrierefrei erreichbar sein. Das bestehende, kleinere Gebäude auf dem Gelände, das die Telekom angemietet hat, könnte ein zusätzliches Stockwerk erhalten - mit weiteren vier bis fünf Wohnungen. Stellplätze sollen in einer Tiefgarage geschaffen werden. Der Bürgermeister hofft, dass die Baugenehmigung im ersten Halbjahr erteilt und dann im kommenden Jahr gebaut werden könne. Auch diverse Bebauungspläne sollen aufgestellt oder fortgeführt werden. Zudem hat die Gemeinde die Vergabe-Richtlinien von Grundstücken im Einheimischenmodell an die neuen Vorgaben der EU-Kommission angepasst: Drei Grundstücke am Kiensteinweg sollen im "Kochel-Modell" vergeben werden.

© SZ vom 09.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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