Vor dem Amtsgericht:Wie im Schlachthaus

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Ein Gewaltexzess unter Alkohol führt zu einer Bewährungsstrafe

Von Benjamin Engel, Wolfratshausen

Keiner der beiden Kontrahenten will sich an irgendetwas erinnern. Und doch war im Wohnzimmer des Angeklagten am Abend des 11. November 2019 überall Blut - auf den Boden und selbst bis hinter der Couch gespritzt. Die Gesichter des inzwischen 40-jährigen Angeklagten und seines 64-jährigen Bekannten waren blutüberströmt. Dessen Sohn spricht in der Verhandlung vor dem Wolfratshauser Amtsgericht von einer Szenerie wie im Schlachthaus. Das Blut stammte von einer Platzwunde des Angeklagten. Der gelernte Monteur soll seinen Bekannten im Streit gewürgt haben, als beide stark angetrunken waren. Dafür wird der Mann am Montag wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer siebenmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt sowie zu 120 Sozialstunden.

Bei beiden Männern, die im selben Haus wohnen, stellt die Polizei nach der Auseinandersetzung mehr als zwei Promille Alkohol fest. Die Frau des Angeklagten ist ebenfalls in der Wohnung. Dieser sagt, er habe an jenem 11. November schon ab Mittag mindestens 20 Flaschen Bier ganz allein getrunken. Gegen Abend habe dann sein Bekannter vorbeigeschaut. Gemeinsam hätten sie noch ein paar Bier und Schnapsflaschen geleert. "Das einzige, was ich noch weiß, ist, dass ich im Krankenhaus wieder aufgewacht bin", schildert er dem Richter. So einen Filmriss habe er noch nie gehabt. "Das war mir eine Lehre." Seitdem trinke er keinen Alkohol mehr.

Dessen Bekannter wundert sich nur, dass er sich an nichts erinnern könne. Mehr als zwei Promille Alkohol machten ihm normalerweise nichts, sagt der Elektromeister. Anschließend habe er Halsschmerzen gehabt, die Situation sei für ihn gefährlich gewesen. Im Krankenhaus stellen die Ärzte später Einblutungen an seinen Augen fest. Das könne darauf hindeuten, dass der Mann gewürgt worden sei, sagt eine Gutachterin. Das hätte lebensgefährlich sein können.

Zu bedrohlich ist an dem Abend gegen 21.30 Uhr die Situation der Frau des Angeklagten. Sie läuft zur Wohnung des Elektromeisters, in der sich dessen Sohn und ein Freund aufhalten, und bittet um Hilfe. Beide rennen nach oben. Die zwei jungen Männer schildern, dass das Zimmer verwüstet und voll Blut gewesen sei, wie in einem Schlachthaus. Beide sagen aus, dass der Angeklagte seinen Kontrahenten an der Halsgegend gepackt habe. Laut dem Freund hat der Sohn des Elektromeisters dem Angeklagten dreimal mit einer Brechstange auf den Rücken gehauen. Dazu schweigt der 24-Jährige. Er will sich nicht belasten, da er selbst deswegen angeklagt ist und auf den Prozess im Herbst wartet.

Unter anderem wegen Körperverletzungsdelikten hat der Angeklagte schon im Gefängnis gesessen. Die Staatsanwältin fordert, den Mann wegen gefährlicher statt - wie in der Anklage - einfacher Körperverletzung zu verurteilen. Sie hält den Monteur nach den Zeugenaussagen für schuldig und fordert eine Bewährungsstrafe von sieben Monaten. Dem Antrag folgt der Richter und verpflichtet den Angeklagten - er hatte laut der Gutachterin maximal 3,37 Promille Alkohol im Blut - zudem zu drei Gesprächen bei der Caritas-Fachambulanz. "Bleiben Sie am Ball, aber am richtigen", sagt er.

© SZ vom 14.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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