Dietramszeller Puppenfestival:Füße hoch!

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Anne Klinge lässt in Dietramszell wieder ihre Füße tanzen. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Beim Dietramszeller Puppenfestival "Larizell" macht Anne Klinge mit ihrem eigenwilligen Körpereinsatz Eindruck.

Von Anja Brandstäter, Dietramszell

Die siebenjährige Sophia singt laut ins Mikrofon: "Jawoll, jawoll, ich bin ein Troll." Sie hat sich ganz alleine auf die Bühne getraut. Das ganze Lied kann sie auswendig. "Ich habe alle Troll-CDs", verrät sie. Auch die sechsjährige Julia kennt die Lieder bereits aus dem Kindergarten und kann mitsingen. Sie ist mit ihrem drei Jahre alten Bruder Nikolas und ihren Eltern gekommen. Kaum zu glauben, was hier am Samstag um 7 Uhr morgens schon alles los ist. Mehr als 90 kleine und große Gäste sind nach Jasberg zum Auftakt des Dietramszeller Puppenspieler-Festivals "Larizell" gekommen, darunter Bürgermeisterin Leni Gröbmaier und ihre beiden Enkelkinder. Geplant war die Veranstaltung mit dem Troll Wurliz hinter der Maschinenhalle. "Es ist so zauberhaft, wenn die Sonne knallrot über die Baumwipfel in den Himmel steigt. Das wollten wir euch zeigen", sagt Renate Dietz, Vorsitzende des Larizell-Festivals. Doch das Wetter spielt nicht mit. Familie Eichner, die Hof samt Hofladen in Jasberg betreibt, hat vorsorglich die Zimmerei leer geräumt und mit Strohballen ausgelegt, auf denen die Kinder Platz nehmen können. Den kleinen Gästen macht das Spektakel mit Wurliz Freude, sie sind in Mitmachlaune: "Im Wald ist jetzt viel zu tun für Igel, Eichhörnchen und Regenwurm", singen Wurliz und die Kinder, die gleichzeitig mit den Fingern Igel, Eichhörnchen und Regenwurm zeigen. Das haben sie offensichtlich geübt.

Der Held des Nachmittags ist 35 Zentimeter groß. Sein Schöpfer ist Stefan Beyrer, angezogen hat ihn seine Frau Silvia. Es handelt sich um das Tapfere Schneiderlein. "Sieben auf einen Streich" hat er erlegt. Um das Märchen der Brüder Grimm auf die Bühne zu bringen, haben Silvia und Stefan Beyrer etwa ein Jahr lang gearbeitet. Die Figuren müssen entwickelt, der Text in Mundart verfasst und die Kleider genäht werden. Auch die Guckkastenbühne des Klick-Klack-Theaters, die wie eine Mini-Opernbühne aussieht, haben sie selbst entwickelt. Das ist auf die vielseitigen Erfahrungen von Stefan Beyrer zurückzuführen: Bereits als Zwölfjähriger übernahm er Kleinstrollen beim Münchner Marionettentheater, bediente die Windmaschine oder zog den Vorhang auf und zu. Später arbeitete er als Techniker an der Bayerischen Staatsoper und machte eine Ausbildung als Holzbildhauer in Oberammergau. Die Spielfreude der beiden überträgt sich sofort auf die kleinen 120 Zuhörer, die mit Eifer dabei sind.

Derweil bauen "Die Exen" in Jasberg schon ihre Bühne für die Abendveranstaltung auf: sechs Meter breit und fünf Meter tief, das Licht wird mindestens drei Meter darüber angebracht. Neben Spot, Fluter und Stroboskop benötigt das Ensemble eine Rauchmaschine und einen CD-Spieler. Dorothee Carls und Annika Pilstl sind die Protagonistinnen, die "Die Geierwally" mit Handpuppen inszenieren. "Unsere Erwartungen sind weit übertroffen worden", hören die Veranstalter von den Besuchern.

"Peterl und Hiu's Kasperltheater" von Erika und Ronald Künemund darf im Programm nicht fehlen. Das Dietramszeller Ehepaar spielt seit 20 Jahren. Am Sonntag um zehn ist der Gasthof Huber in Linden voll besetzt. Die Kinder sehen "Die wilde Jagd". Und auch hier ist die Technik ausgefuchst. "Ich wollte, dass der böse Räuber Johnny mit einem Netz, das von oben herunterfällt, gefangen wird", sagt Erika Künemund. "Um eine Lösung zu finden, habe ich Baumärkte durchforstet." Alles gut gegangen, das Netz ist im richtigen Moment heruntergefallen.

Zwei Füße recken sich empor und bekommen Seelen- mit Pappnasen, Perücken und Umhängen werden daraus Tamino und Pamina und alle anderen Protagonisten der Zauberflöte. Die Füße und die Hände der Schauspielerin ziehen das Publikum sofort in den Bann. Vor 20 Jahren hat Anne Klinge diese einzigartige Technik entwickelt; sie ist damit weltweit unterwegs. Das Spiel verlangt große Körperanstrengung und eine gute Atemtechnik. Zugute kommen Klinge die Erfahrungen, die sie als Regisseurin gesammelt hat. Mit einfachsten Mitteln - einem Podest, zwei Scheinwerfern, vier kleinen Boxen - bringt sie große Kunst auf die Bühne. Und wird am Ende mit tosendem Applaus dafür belohnt.

© SZ vom 10.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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