Verständigung auch ohne Worte:"Entdecken, dass wir alle Menschen sind"

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Etwa 80 Menschen sind zum Kennenlern-Fest in Bad Heilbrunn gekommen. Die Kinder finden am schnellsten Kontakt zueinander. (Foto: Manfred Neubauer)

Zum Kennenlern-Fest in Bad Heilbrunn kommen 80 Menschen, die aufeinander neugierig sind.

Von Petra Schneider, Bad Heilbrunn

Viele Leute strömen am Mittwochnachmittag in den Kursaal, Kinderwägen werden durchgeschoben, Stühle gerückt, noch schnell ein Salat auf das Büfett gestellt. Jeder wird mit Handschlag begrüßt. Marcje hat einen Reissalat mit Gemüse mitgebracht, eine Spezialität aus ihrer Heimat. Vor acht Monaten ist die 24-Jährige mit ihrem Mann Parvis aus Afghanistan geflohen. Vor zwei Monaten ist ihr Sohn Adrian in der Tölzer Asklepios-Klinik geboren worden.

Die junge Familie ist zum Kennenlern-Fest in den Kursaal gekommen, obwohl sie schon viele hier kennen: Die Leute vom Helferkreis, bei denen sie Deutsch lernen, die anderen afghanischen Familien, mit denen sie zusammen leben. Schön sei das Fest, sagt Parvis. Überhaupt sei Heilbrunn ein schönes kleines Dorf mit netten Leuten. Momentan leben 30 Flüchtlinge in der 3800-Seelen-Gemeinde, überwiegend Familien aus Afghanistan und Syrien. Was die Aufnahme von Flüchtlingen angeht, hat der Ort im Landkreis die längste Erfahrung. Vor vier Jahren sind hier die ersten Flüchtlinge untergebracht worden, der erste Runde Tisch wurde gebildet. "Seitdem sind mindestens 100 anerkannte Flüchtlinge durch unsere Hände gegangen", sagt Ingrid Spindler, Sprecherin des zwanzigköpfigen Helferkreises.

Gemeinsam mit den beiden Kirchen und der Gemeinde haben die Helfer auch das Kennenlern-Fest organisiert. "Ich hätte nicht geglaubt, dass so viele kommen", freut sich Spindler, darunter fast alle der hier lebenden Asylbewerber, gut 80 Gäste dürften es insgesamt sein. Im Lauf des Nachmittags mischen sich Einheimische und Neubürger mehr und mehr, die Kinder flitzen durch den Saal - sie finden schnell Kontakt.

"Nicht übereinander sprechen, sondern einander begegnen und entdecken, dass wir alle Menschen sind", sei der Sinn des Fests, sagt der katholische Pfarrer Karl Bopp in seiner Begrüßungsrede. Die Organisatoren haben das Programm gut gewählt. Vieles kann man ohne Worte verstehen, Einheimische wie Flüchtlinge können sich einbringen. Es gibt bairische Lieder, gesungen von der Kindergruppe "Kiliansspatzen", in der Pause arabische Lieder vom Band. Die Kinder vom Trachtenverein d'Buchbergler zeigen, wie man schuhplattelt. Die 13-jährige Afaf singt ein kurdisches Lied aus ihrer Heimat. Sehr fremd habe das geklungen, findet Jürgen Nießen, der in Heilbrunn wohnt. Ganz anders als das, was man bei uns so im Radio höre. Das Fest findet er gut gelungen, "weil es das Gemeinwohl fördert." Es zeige aber auch die Unterschiede, "und wie viel Arbeit noch vor uns liegt." Afaf hilft als Dolmetscherin bei der Zaubervorführung von Alexander Römer aus. Der sucht einen "arabischen Herrn", Tarik meldet sich. Mithilfe eines merkwürdigen Handmixers, der Gedanken übertragen kann, will der Zauberer eine Karte herausfinden, die Tarik zuvor ausgesucht hat. Es funktioniert, tosender Applaus, Tarik umarmt den Zauberer.

Die Jongliernummer des evangelischen Pfarrers Johannes Schultheiß funktioniert ohne Worte. Gustl, den haarigen Hahn, den der Pfarrer bauchrednerisch zum Sprechen bringt, finden nicht nur die Kinder lustig. Die Stimmung im Kursaal ist fröhlich und entspannt, wie überhaupt die Stimmung im Ort gut sei, sagt Spindler. "Im Moment jedenfalls." Denn auch in Bad Heilbrunn werden es mehr Flüchtlinge werden, Kapazitäten in dezentralen Wohnungen gibt es für 45 Menschen. Laut Bürgermeister Thomas Gründl (CSU) könne man die Quote bis zum Jahresende erfüllen. Wie die meisten Kommunen will Bad Heilbrunn die Belegung der Turnhalle unbedingt vermeiden. Die Asylbewerber sind in drei Wohnhäusern untergebracht. Manche leben seit mehr als drei Jahren dort und warten auf ihren Asylbescheid. Der Kontakt nach Bad Heilbrunn bleibe manchmal, auch wenn die Familien nicht mehr im Ort wohnen, erzählt Spindler. So wie bei der sechsköpfigen Familie von Afaf, die vor einem dreiviertel Jahr nach Bad Tölz gezogen ist. Die 13-Jährige ist vor zwei Jahren mit ihrer Familie aus Syrien geflohen. Sie spricht perfekt Deutsch und geht in die Realschule nach Hohenburg. Deutschland sei ihre zweite Heimat, sagt sie. Afaf will hier bleiben, Abitur machen und Architektur studieren. "Und dann vielleicht nach Syrien zurückgehen und das Land wieder aufbauen."

© SZ vom 04.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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