Verhandlung am Amtsgericht:Allein auf weiter Flur

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Taxifahrer lässt alkoholisierte Jugendliche in einer nasskalten Nacht auf freiem Feld zurück. Richter Helmut Berger verurteilt ihn zu einer Geldstrafe

Von Arnold Zimprich, Wolfratshausen

Kann ein Taxifahrer ungestraft einen Fahrgast mitten in der Nacht aus dem Wagen werfen, weil die Gefahr besteht, dass er sich im Innenraum des Fahrzeugs übergibt? Mit dieser Frage hat sich am Montag das Amtsgericht Wolfratshausen befasst. Ein 44-jähriger Metallarbeiter, der an Wochenenden als Taxifahrer arbeitet, hatte Ende April dieses Jahres drei alkoholisierte, damals 16 und 17 Jahre alte Jugendliche um halb zwölf Uhr nachts vom Bad Tölzer Club "Pistolero" Richtung Geretsried mitgenommen. Vor Gericht musste er sich wegen des Delikts der Aussetzung verantworten. Richter Helmut Berger verurteilte ihn zu einer Geldstrafe.

Einer der drei Jungen öffnete in jener Nacht am Ortsausgang von Bad Tölz das Seitenfenster des Taxis, um frische Luft hereinzulassen. Die Stimmung im Wagen war offenbar ausgelassen, mehrmals beugte sich der junge Mann zu seinen beiden Freunden auf der Rückbank.

Der Fahrer des Taxis wertete das Verhalten des Jungen als Hinweis darauf, dass sich dieser bald übergeben würde. Er hielt seinen Wagen auf der Staatsstraße 2072 zwischen Roßwies und der Abzweigung nach Hechenberg an, beugte sich über den Geschädigten, öffnete die Tür und verwies ihn des Fahrzeugs.

Vor Gericht bekundete der Taxifahrer, dass sich der Jugendliche dann im Freien übergeben und hingelegt habe. Anschließend habe er ihm beim Aufstehen helfen wollen: "Er hat aber meine Hände weggeschoben." Er habe gesagt, so der Angeklagte, dass er nun Hilfe holen wolle, und den lediglich mit einem Sweatshirt bekleideten Jugendlichen mit einem Freund bei einer Temperatur von zehn Grad auf nasser Wiese zurückgelassen.

Die alarmierten Eltern suchten jedoch nicht an der Staatsstraße 2072 nach den zurückgelassenen Jugendlichen, sondern an der Alternativstrecke von Bad Tölz nach Geretsried über Königsdorf. Nur durch eine zufällig vorbeifahrende Polizeistreife wurden die beiden Jungen gegen halb ein Uhr nachts aufgefunden, der eine bereits unterkühlt und zitternd. Der Taxifahrer hatte es nach dem Wegfahren unterlassen, sich über den weiteren Verbleib des Ausgesetzten zu informieren. Der hinzugerufene Notarzt brachte den Jungen in das Starnberger Krankenhaus, wo er über Nacht zur Beobachtung blieb.

Rechtsmedizinerin Bettina Zinka erläuterte dem Gericht, dass bei diesen Temperaturen und Nässe aus einer Unterkühlung nach mehreren Stunden ein lebensgefährlicher Zustand resultieren könne. Alkohol wirke zudem kontraproduktiv. Er erweitere die Gefäße, während der Körper versuche, sie zu verjüngen.

Die Staatsanwaltschaft sah einen größeren Schaden nur durch Zufall verhindert und forderte eine siebenmonatige Freiheitsstrafe auf Bewährung. Rechtsanwalt Alexander Sander pflichtete dieser Ansicht insofern bei, als der Angeklagte tatsächlich alles falsch gemacht habe, was man hätte falsch machen können. Trotzdem sei die Sache unglücklich verlaufen, sagte er. Sein Mandant habe keine Vorstrafen. Er habe versucht zu helfen, und sich im Nachgang per Whatsapp-Kurznachricht entschuldigt.

Richter Helmut Berger wertete das Verhalten des Taxifahrers als Missachtung seiner Sorgfaltspflicht, der Tatbestand der Aussetzung und der fahrlässigen Körperverletzung sei erfüllt. "Wir haben gehört, was hätte passieren können." Berger verurteilt den Mann zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen à 50 Euro.

© SZ vom 26.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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