Unterwegs in Lenggries:Wo die wilden Pflanzen wachsen

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Kräuterpädagogin Elisabeth Rechthaler unternimmt in Lenggries Kräuter-Erlebnis-Führungen. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Bei den Kräuterwanderungen im Landkreis können nicht nur Heilkundler viel lernen

Von Nora Schumann, Lenggries

Als Kräuter-Erlebnis-Region wird der Landkreis und seine wilde Natur beworben. Dazu gehören Kräuterparks und -gärten, Kräuterprodukte und auch Kräuterpädagoginnen. Elisabeth Rechthaler aus Bad Wiessee am Tegernsee lebt mit ihrem Mann in Gaißach und bietet seit zehn Jahren Kräuterwanderungen an.

"Die Kräuter mit dem Salz vermischen und alles bei 40 Grad in den Ofen", sagt Rechthaler an diesem Morgen im Aufenthaltsraum des Lenggrieser Rathauses, "wenn wir zurückkommen, sind sie getrocknet." Eine bunte Gruppe von sechs Kräuterlehrlingen hat sich um das Backblech geschart, von der Seniorin mit schlohweißem Haar bis zum Vorschulkind. Die meisten von ihnen sind zum Urlaub in Lenggries und nutzen die Gelegenheit, sich in der Kräuterkunde weiterzubilden. "Ich komme aus dem Ruhrgebiet", sagt eine Frau. Für Kräuter interessiere sie sich ganz grundsätzlich.

Das kann hilfreich sein, denn in den darauffolgenden zweieinhalb Stunden führt Elisabeth Rechthaler die Urlauber von einem Gewächs zum nächsten - 37 Kräuter wird die Expertin ihren Zuhörerinnen und Zuhörern am Ende des Spaziergangs mit all ihren Eigenschaften vorgestellt haben.

Sie habe sich schon als Mädchen für Kräuter interessiert und Bücher der bekannten Kräuterspezialistin Maria Treben im Alter von dreizehn Jahren gelesen, erzählt sie. Rechthaler ist auf einem landwirtschaftlichen Betrieb groß geworden und hat sich, als ihre vier Töchter alt genug waren, nach einer Möglichkeit zur Weiterbildung umgesehen. "Ich bin ein Naturmensch, nicht fürs Büro gemacht", sagt sie. Ein Jahr lang absolvierte sie die Ausbildung zur Kräuterpädagogin. Das Herausfordernste sei dabei die Anfertigung des Herbariums gewesen, eine Sammlung von rund 100 Pflanzen. "Die müssen gepflückt, gepresst, getrocknet, einlaminiert und beschriftet werden - und dann schreibt man zu jeder Pflanze eine zweiseitige Ausarbeitung hinzu", erklärt Rechthaler. Die mühsame Arbeit habe sich jedoch gelohnt und sie habe viel gelernt.

Giersch beispielsweise sei eine oft als Unkraut bewertete und damit unterschätzte Pflanze, erklärt die Expertin und hält einen Stängel empor. Giersch wirke entwässernd und sei ein toller Petersilienersatz, sagt sie. "So wie der nicht aus dem Garten zu bekommen ist, so hartnäckig stärkt und vitalisiert er uns", erklärt die Kräuterpädagogin.

Die Wanderung führt vorbei an angelegten Kräuterbeeten, aber Rechthaler bleibt auch alle paar Schritte stehen, weil sie ein weiteres Kraut im Gebüsch am Wegesrand entdeckt hat. Man eigne sich mit der Zeit einen Blick für die Pflanzen an, wie ein Fotograf für ein schönes Foto, erklärt sie. Und sie kommt über ihre Kräuter leicht ins Schwärmen. "Malvengewächse, die sind wundervoll", sagt sie. Die Schleimstoffe darin seien gut gegen Husten, für die Schleimhäute und die Gelenkschmierung. Sie nehme das Kraut für ihre Gesichtscreme und die Blüten, um Sirup herzustellen. Der behalte die lila Farbe und könne Gästen mit einem Glas Sekt serviert werden. "Das schaut toll aus und man hat die guten Schleimstoffe", sagt Rechthaler. Das mit den Schleimstoffen müsse man den Gästen ja nicht unbedingt sagen. "Aber man kann sich einschleimen", ergänzt eine Zuhörerin augenzwinkernd.

Eines lässt sich jedenfalls lernen: Mutter Natur hält für jede Beschwerde ein Kraut bereit, auch wenn es nach 37 Erklärungen über Wirkung und Zubereitung schwer fällt, alle Pflanzen samt Aussehen im Kopf zu behalten. Rechthaler beruhigt: Sie habe einige Notizen, die sie gerne per Mail weitergebe. Die Gruppe atmet erleichtert auf. "Vielen Dank", sagt eine Teilnehmerin, als alle wieder im Rathaus versammelt sind und das fertige Kräutersalz aus dem Backofen in kleinen Päckchen in Empfang nehmen, "es war sehr spannend."

Eines der Lieblingskräuter der Pädagogin ist übrigens die Brennnessel. Auch wenn Rechthaler vom rohen Verzehr abrät, sei das Kraut ein Allrounder und wirke entgiftend für den ganzen Körper. "Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass eine Tinktur gegen Prostatavergrößerung und Myome hilft", sagt sie. Die (Un-)kräuter im Garten werden nach dieser Lehrstunde mit anderen Augen gesehen.

© SZ vom 10.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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