Unterm Apfelbaum in Irschenhausen:Rose is a rose is a rose is a rose

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Ein Salon unter freiem Himmel: Sängerin Bettina Ullrich und Pianistin Claudia Hrbatsch. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Pariser Salonatmosphäre mit Bettina Ullrich und Claudia Hrbatsch beim Ickinger Theatersommer

Von Nora Schumann, Icking

"Bonsoir, mesdames et messieurs!", ruft Bettina Ullrich in die kühle Ickinger Sommernacht. In dunklem Samtkleid und glitzernden Ohrringen umrundet sie das Publikum, bevor sie die Bühne unterm Apfelbaum erklimmt. "Ich habe schon gehört, dass es einige Französinnen und Franzosen heute Abend unter uns gibt - das macht mich ein bisschen nervös", sagt die Künstlerin mit einem Lächeln. Bei der "Gesellschaft unterm Apfelbaum" ist am Donnerstag Französischer Abend mit Musik und Literatur. Am Klavier sitzt Claudia Hrbatsch, Sprache und Gesang bietet Bettina Ullrich dar.

"Wir haben überlegt, französischer Abend, da kann man ja weit zurückgehen in die Geschichte. Aber ich möchte Sie heute mit ins 20. Jahrhundert nehmen", erklärt Ullrich. Das seien die goldenen Jahre in Paris gewesen. Sie deutet auf die Bühne: schwere Sessel, Stehlampe mit Fransen, Federhalter und Weingläser gestalten den "Salon". "Und ich habe sie alle eingeladen!", ruft sie. "Einige konnten nicht kommen, aber ein paar sind schon da, sehen Sie nur, da - Edith Piaf trinkt schon ihr erstes Glaserl Wein", Ullrich deutet auf einen Stuhl. Die Autoren, Künstler und Intellektuellen hätten sie als Medium an diesem Abend beauftragt, mit dem Publikum in Verbindung zu treten. Die Zuschauer schmunzeln und Claudia Hrbatsch spielt die ersten Takte von Jacques Préverts "Les feuilles mortes".

Französische Chansons, deutsche Gedichte bis hin zu italienischen Tangos, all das schmettert Bettina Ullrich in den darauffolgenden zwei Stunden mal stimmgewaltig, mal leise und einfühlsam von der Bühne. Die Darbietungen werden dabei nicht stumpf aneinandergereiht, viel mehr berichtet Ullrich von Lebenswandlungen und Anekdoten der großen und kleinen Künstler und Künstlerinnen. Liebesbeziehungen spielen fast immer eine Rolle, sei es die zwischen Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre oder die zwischen Kurt Weill und Lotte Lenya. Die passenderweise als "Salon d'histoire" bezeichnete Bühne wird so zum Raum, in dem alles möglich ist: Zitate von Edith Piaf mischen sich mit Gedichten von Gertrude Stein und der Verfolgung von jüdischen Intellektuellen durch die Nationalsozialisten. Was sie alle verbindet, das ist die große Stadt der Liebe und der Kunst - das ist Paris. "Im Grunde unseres Herzens lieben wir Deutsche doch alle Frankreich und Paris", sagt Bettina Ullrich.

"Wir wollten Künstler darbieten, die die Leute kennen, aber auch Neues entdecken", erklärt sie im Gespräch. Und so schmettert sie voller Wut und Enttäuschung das "Je ne t'aime pas", welches Kurt Weill aus enttäuschter Liebe komponierte. Die Sängerin wechselt spielend die Sprachen, spricht auf Deutsch, zitiert auf Französisch, singt italienisch, englisch, spanisch und reißt die Zuhörer mit in einen Strudel aus Emotionen, Rhythmen, Sprachen und Musikgenres. Das Publikum ist begeistert. "Wunderbar", befindet eine Dame, die amerikanisch-französischer Herkunft ist - Ullrich schaffe es, das Flair der Zwanzigerjahre detailgetreu zu inszenieren und selbst ihr Akzent im Französischen sei ausgezeichnet. Auch eine Zuschauerin, die des Französischen nicht mächtig ist, kann sich für die Darbietung begeistern. "Einmalig", sagt sie, "vieles versteht man auch so."

Den Künstlerinnen selbst gefällt das Ambiente ausgesprochen gut. Claudia Hrbatsch reibt sich die Hände: "Nur kalt ist es, gerade eben habe ich die Finger kaum vom Klavier heben können", sagt sie und lächelt. Von der Kälte jedenfalls bemerken die rund 80 Zuschauer nichts - in Decken eingewickelt lauschen sie den sanften Klavierklängen. Höchstens am Schluss breitet sich eine Gänsehaut auf dem Oberarm aus, als Ullrich "Non, je ne regrette rien" anstimmt und die Menge leise mitsingt.

© SZ vom 03.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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