Umgestaltung für knapp 830.000 Euro:Rilke, Stoiber und der Floßmeister

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In sieben Kapiteln soll die Wolfratshauser Stadtgeschichte künftig im Heimatmuseum erzählt werden. Die Kosten für die Umgestaltung werden auf knapp 830 000 Euro geschätzt. (Foto: Hartmut Pöstges)

Das Wolfratshauser Heimatmuseum soll moderner werden und mehr Interaktion bieten. Wie das gelingen kann, zeigt ein Grobkonzept. Dazu gehört auch, dass die Stadtgeschichte von ausgewählten Persönlichkeiten erzählt wird - bis in die Gegenwart hinein

Von Konstantin Kaip, Wolfratshausen

Im Zuge der Sanierung des Untermarkts 10 soll auch das Wolfratshauser Heimatmuseum umgestaltet werden - zu einem modernen Museum mit zeitgemäßem Konzept und multimedialen Mitmachstationen für die Besucher. Seit Dienstag wissen die Stadträte nun auch, wohin die museumspädagogische Reise gehen soll. Die von der Stadt beauftragten Museumsberaterinnen Henriette Holz und Christiane Greska stellten im Kulturausschuss ihr Grobkonzept vor, das sie für die Einrichtung erarbeitet haben. Die Stadtgeschichte soll demnach mit weniger Exponaten, dafür mit mehr interaktiven Möglichkeiten "anschaulich und lebendig vermittelt" werden, wie Holz erklärte. Die einzelnen Themen sollen dabei von einzelnen Persönlichkeiten aus Historie und Gegenwart erzählt werden, welche "die ganze Stadtgesellschaft widerspiegeln".

Holz und Greska nannten als Beispiel etwa den Floßmeister Sebastian Goldhofer, zu dem es im Stadtarchiv viel Material gebe. Ihn könne man zum Beispiel an einer Hörstation mit eigenen Tagebucheinträgen zu Wort kommen lassen. Andere Stationen könnten einer Bierbrauergattin oder einem Gebirgsschützen gewidmet werden. Auch eine Stadträtin, ein Neubürger und eine Migrantin könnten zu Wort kommen. "Ziel ist, dass alle zusammen im Museum darstellen: Was ist mein Wolfratshausen", erklärte Holz. Dies könne auch anhand von großen Abbildungen mit einzelnen Exponaten der Protagonisten geschehen - ähnlich wie im Museum Erding, von dem sie ein Bild des Ausstellungsraumes zeigten. Das bisherige Motto "Museum von Bürgern für die Bürger" solle erweitert werden, erklärte Holz. "Es geht auch darum, dass sich die Bürger wiedererkennen."

Angedacht sind laut Konzept sieben Ausstellungskapitel, denen im Erdgeschoss als "Prolog" eine Darstellung der reichhaltigen Gebäudegeschichte vorausgehen soll. Die Geschichte des Untermarkt 10, der erst Pflegschloss, dann Landgericht war, 1804 niedergebrannt ist und nach dem Wiederaufbau zum Amtsgericht und dann zur Schule wurde, soll auch Besuchern der geplanten Tourist-Info Lust auf mehr machen. Station eins ist dann der Zeitstrahl auf der Treppe, der die tausendjährige Geschichte der Stadt anhand von verschiedenen Medien und einzelnen Ereignissen und Exponaten wie etwa einem Krautlöffel beleuchten soll.

Oben soll dann die Flößerei ein zentrales Thema bilden, das mit medialer Aufbereitung noch mehr in den Fokus gerückt werden soll. Die Gefahrenstelle auf dem Fluss, "kalte Angst", könne etwa per Großprojektion für Besucher auf wackligen Holzbalken erlebbar werden. Das dritte Kapitel soll die Gewerbe beleuchten, denen die Flößerei in der Stadt einen Aufschwung beschert hat, die vierte verschiedene Lebenswelten. Die bisherige Bürger- und die Bauernstube, beide üppig gestaltet, sollen dazu auf kleine Kabinette reduziert und durch die Lebenswelt der Arbeiter und gegenwärtiger Wolfratshauser ergänzt werden, die sich "in lebendigen Erzählungen", per Video, Hörstation oder anhand von einzelnen Gegenständen, in der Stadtgeschichte verorten. Im Kapitel "Religion" sollen der Selige Nantwein und die Heiligen der Flößer Nikolaus und Nepomuk ebenso gewürdigt werden wie die evangelische Kirche und auch andere Religionsgemeinschaften. Das sechste Kapitel soll Wolfratshausen als "Sommerfrische" thematisieren, in Zusammenhang mit der Isartalbahn. Hier könne man auch berühmte Gäste wie Rainer Maria Rilke und D.H. Lawrence mit eigenen Zeilen oder fiktiven Dialogen in Szene setzen. Die letzte Station soll den Wolfratshauser Künstlern gehören, mit wenigen ausgesuchten Werken bekannter und weniger bekannter Maler und Bildhauer der Stadt, aber auch mit Beispielen aus Film und Fernsehen.

Kosten soll das Ganze laut Schätzung, die Holz und Greska anhand der Fläche erstellt hatten, etwa 829 000 Euro inklusive Honorare und Material. Die beiden berichteten auch, wie es weitergehen könnte: Im März könne der Stadtrat den Auftrag für das Feinkonzept geben, das sie bis etwa November 2020 erstellen wollen, parallel mit der Akquise von Fördermitteln. Bis Ende 2020 könne dann der Ausstellungsgestalter gefunden werden, der etwa ein Jahr für die Entwurfsplanung und weitere sechs Monate für den Aufbau brauche. Wenn alles gut laufe, könne das Museum im Sommer 2022 eröffnen. "Ich freue mich darauf", sagte Holz.

Vorerst aber müssen die inzwischen alle inventarisierten Exponate ausziehen, damit die städtische Wohnungsbau- und Verwaltungsgesellschaft die Sanierung des Gebäudes beginnen kann. Laut Martin Melf von der Stadtverwaltung können dazu Räume der Stiftung Sankt Matthias in Waldram angemietet werden. Die "ganz wertvollen Sachen" sollen im obersten Stock des Stadtarchivs eingelagert werden.

© SZ vom 05.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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