Trendsportart:Die Welt ist eine Scheibe

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Das Frisbeespielen wird zunehmend populär, auch, weil hier Männer und Frauen auf Augenhöhe miteinander agieren und es keine Altersgrenze gibt. Das "Friss die Frisbee"-Team des Turn- und Sportvereins Geretsried hat ein wildes Motto und sammelt Titel über Titel ein

Von Arnold Zimprich, Geretsried

Hinter dem Kunstrasenplatz im Isarau-Stadion des Turn- und Sportvereins (TUS) Geretsried ziehen dunkle Wolken auf. Es beginnt zu tröpfeln, im Dämmerlicht wehen Regenschwaden über die Karl-Lederer-Schule. Alles kein Problem für das "Friss die Frisbee"-Team des TUS, die Jungs und Mädels sind schlechtes Wetter gewohnt. "Frisbee spielen ist halt in erster Linie ein Outdoorsport", lacht Trainer Michael Leinauer. Der 24-Jährige steht am Spielfeldrand und beobachtet die rund 18 Spielerinnen und Spieler, die Kurzpässe, sogenannte "Cuts", üben. "Es ist schon unglaublich, welche Erfolge wir in den letzten Jahren verbuchen konnten", sagt Leinauer. Der Aufstieg in die erste Liga für die GeRey-Mannschaft zusammen mit Regensburg, zahllose Top-Platzierungen in Turnieren - Leinauer hätte nie gedacht, dass er mit diesem Team, das zu Beginn noch auf der Wiese üben musste, so weit kommen würde.

Wenn er erzählt, welche Erfolge das insgesamt rund 40 Männer und Frauen zählende Team schon eingesammelt hat, fragt man sich, warum es im Landkreis nicht mehr Ultimate Frisbee-Teams gibt. Sprintstärke und Koordinationsvermögen brauche es, um im Frisbee erfolgreich zu sein, es könne jeder mitmachen. "Wir haben einige Leute, die vom Badminton und vom Turnen zu uns gestoßen sind", wirft Benedikt Leinauer, Zwillingsbruder Michael Leinauers und ebenfalls Frisbeespieler, ein. Erfolgsmüde sind die Friss-die-Frisbees noch lange nicht. Der Spieleifer und die Begeisterung, die sich im heutigen Training zeigen, springt schnell auf den Zuschauer über.

Eigentlich ist das Frisbeespielen eine klassische Outdoorsportart. Doch für manche Turniere geht es eben auch mal in die Halle. Was zählt sind die Ergebnisse - und der Spaß, den die Teammitglieder dabei haben. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Sabrina, 20 Jahre, ist schon rund zwei Jahre dabei. Die Biologiestudentin muss auf die Frage lachen, was sie am Frisbee-Spielen reizt. "Es ist die Bewegung an der frischen Luft und der Teamgeist", sagt die Auswechselspielerin und nimmt nach einigen kräftigen Zügen an der Wasserflasche schnell ihre Position am anderen Ende des Spielfelds ein. Eine Zeitlang müssen sich die Spielerinnen und Spieler das halbierte Fußballfeld noch mit einer Fußballmannschaft des TUS Geretsried teilen. Dass sie im Verein nur als Randerscheinung wahrgenommen werden, ist jedoch längst vorbei. Was bedeuten die Erfolge der für den Mutterverein? "Wir werden inzwischen als Aushängeschild in der Leichtathletik gesehen", sagt Michael Leinauer und ist gleich wieder dabei, seine Frauen und Männer auf dem Spielfeld zu dirigieren und anzufeuern. Besonders waghalsige "Blocks", also das Abblocken der Frisbeescheibe, werden mit Applaus goutiert. Der "Spirit", der Geist des Spiels, wird beim Frisbee groß geschrieben. "Ich komme vom Badminton und habe mich nach mehr Freiheit gesehnt", sagt Michael Leinauer, "beim Frisbee gibt es keinen Schiedsrichter". Stattdessen entscheiden bei Meinungsverschiedenheiten die Teams, was in der Regel gut funktioniere.

"Alles ist gut, so lange Du wild bist" schreiben die Friss die Frisbees auf ihrer Website. Und wild geht es auch zu. In Windeseile flitzen die Teammitglieder quer über das Spielfeld, um die 175 Gramm-Scheibe, die das Logo der Friss die Frisbees ziert, zu fangen. "In den USA, wo mit einem Schiedsrichter gespielt wird, wird etwas härter gespielt", sagt Marc, 37. Der dreifache Vater ist heute das erste Mal beim Training dabei und hat im Mutterland des Frisbeesports, den USA, eine Zeitlang in Profimannschaften gespielt. "Beim Frisbee geht es um Fair Play und Gender Equality", so Marc, und das merkt man dem heutigen Training auch an - Frauen und Männer spielen auf Augenhöhe.

"Friss die Frisbee" zeigt sich auch auf der Scheibe der Geretsrieder. (Foto: Hartmut Pöstges)

Wie läuft das mit dem Frisbeespielen in Geretsried, ist das ein Selbstläufer? "Wir müssen schon an die Leute rangehen und für uns werben, von alleine läuft das nicht", sagt Michael Leinauer. So würde im Freundeskreis gefragt, ob nicht jemand an den jeweils donnerstags und sonntags stattfindenden zweistündigen Trainings teilnehmen möchte. "Das läuft über Rufpropaganda". Man überlege immer wieder, eine Nachwuchsmannschaft auf die Beine zu stellen, jedoch ist Ultimate Frisbee in Deutschland vergleichsweise wenig bekannt. "Doch es lohnt sich kaum, wenn nur einige wenige Leute auftauchen", sagt Sabrina. "Das Schöne am Frisbee ist, dass es keine Altersgrenze gibt", sagt Leinauer.

"Auf Turnieren begegnen einem auch Spieler jenseits der 45". Die seien zwar nicht mehr ganz so schnell, würden aber eine Menge Spielerfahrung mitbringen. Der Regenschauer ist über das Feld gezogen. Doch die knapp 20 Spielerinnen und Spieler haben kaum einen Blick für das Wetter übriggehabt, so konzentriert waren sie auf die Scheibe, die für sie die Welt bedeutet.

© SZ vom 09.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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