Tölzer Prügel:Zuviel der Gutin

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Die Kreis-Grünen übertreiben es bei ihrer jünsgten Mitgliederversammlung mit der Gleichstellung

Von Claudia Koestler

Keine Frage, es ist eine wunderbare Sache, wenn sich eine Gesellschaft endlich bewegt. Wenn man eingefahrene Muster sieht, die langsam aufgebrochen werden. Dazu braucht es meist nicht viel: Oft macht den Anfang einer solchen Umwälzung ein frischer Blick, ein kritisches Hinterfragen, oder der Mut, anders zu agieren als die anderen.

Und dann gibt es die Momente, in denen das Gute plötzlich wieder kippt. Der Verbesserungswille krampfhaft wird. So zum Beispiel jüngst bei der Jahreshauptversammlung der Kreis-Grünen in Münsing. Dort hat man nicht nur die gendergerechte Sprache erfolgreich etabliert, nein, man deklinierte dort das Gender-Anliegen durch - und zwar maximal.

Das Gendern soll eigentlich Diskriminierungen abbauen, insbesondere gegenüber Frauen, aber auch gegenüber Nicht-Heterosexuellen. Eine gute Sache! Die Kreis-Grünen aber lieferten ungewollt ein Beispiel für die Absurdität, wenn man es mit einer an sich guten Sache übertreibt und die Gelassenheit vergisst.

Was war passiert? Redebeiträge aus dem Publikum mussten an diesem Abend schriftlich angemeldet werden - per Namensabgabe in einer Box. Zwei Schachteln standen dafür parat: eine für Frauen und eine zweite - man halte sich fest - für "Sonstige". Wohlgemerkt war das nicht die dritte Box für geschlechtlich Unentschlossene und alle, die es werden wollen. Nein, unter "Sonstige" rangieren bei den Grünen auch bekennende Männer. Diskriminierungen sollen nun also wettgemacht werden, indem man andere diskriminiert.

Und es blieb nicht beim Prinzip "Feuer mit Feuer bekämpfen". Denn die Statuten der Partei besagen offenbar auch, dass bei Wortmeldungen alterniert werden muss, Frau, Mann, Frau, Mann und so weiter. Allerdings ungewiss blieb, wo sich sonstige "Sonstige" einreihen dürfen in dieser Liste.

Blöd nur, dass in Münsing keine Frau an jenem Abend etwas sagen wollte, lediglich zwei Männer. Was also tun? Zumal die beiden Redewilligen nicht bereit waren, sich umzuentscheiden. Daraufhin wurde es höchst skurril. Die Versammlung musste deswegen extra darüber abstimmen, ob ein zweiter Mann in Folge sprechen durfte. Einige wenige Frauen nutzten während dieser Abstimmung ihr Vetorecht, sodass letztlich nur die Frauen im Saal darüber abstimmten, ob er trotz seines Geschlechts Rederecht erhalten durfte.

Lange Abstimmungen, kurzer Sinn: Er durfte. Was die sonstigen "Sonstigen" davon hielten? Ungewiss. Was der zweite Mann letztlich gesagt hat? Egal. Bleibenden Eindruck hinterließ nur der Sprachkrampf. Oder sollte es nicht besser Sprachkrämpfin heißen?

© SZ vom 27.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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