Tölzer Prügel:Unerträgliche Zumutung

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In verzweifelter Manier deutet die Stadt Wolfratshausen die Ruine des Isarkaufhauses zu einem touristischen Aktivposten um. Das verleitet prompt zu eigenen Gedankenspielen, was man noch alles mit dem Trümmergrundstück anstellen könnte...

Kolumne von Wolfgang Schäl

Wolfratshausen hat es nicht leicht, nichts klappt, wie es soll. Parkplatzprobleme ungelöst, Bürgerladen war nichts, Loisachufer wird nichts, schöneres Zentrum auch nicht, Surfwelle - wer weiß. Und das alles vor einer tristen Ruinenkulisse mitten in der Marktstraße - das einst belebte, attraktive Isarkaufhaus wirkt nach den Jahren des trostlosen Leerstands wie ein Übungsobjekt für die Bundeswehr-Artillerie.

Vor diesem Hintergrund blieb nur der Ausweg in den unfreiwilligen Sarkasmus, der Versuch, mit Transparenten am Bauzaun der halbzertrümmerten Ruine die Passanten bei Laune zu halten. Dort wirbt die Stadt unter dem Motto "DU.WIR. WOR" für "Einkaufen, Freizeit und Erlebnis". Das erinnert, auch phonetisch, ein bisschen an den Schlachtruf der Wolfratshauser Narreninsel, die mit einem ebenso dreisilbigen "Du mi aa" alljährlich den Fasching eröffnet. Ein zweites Transparent fordert den Passanten auf: "Gönn Dir Wolfratshausen", ein drittes stellt die steile These auf: "Wolfratshausen ist schön", verquickt mit einer zart ironischen Anspielung auf das halb zertrümmerte Gebäude: "Das tut der Sache keinen Abbruch."

Mal ehrlich, das ist schon die verzweifelte Flucht des lokalen Wirtschaftsmanagements nach vorn. Gleichwohl muss die Stadt wohl bei dieser Strategie bleiben. Denn die Möglichkeiten, die gewiss hässlichste und langwierigste Dauerbaustelle in einem bayerischen Kleinstadtzentrum zu einem touristischen Aktivposten umzudeuten, sind ja noch längst nicht ausgeschöpft. Man müsste sich nur mit den Verantwortlichen für den Baustopp einigen, und schon ließen sich aus dem Missstand Funken schlagen.

In stilistischer Analogie könnte die Stadt Sportkletterkurse anbieten, Parole: "Rein in die Ruine". Für Senioren, die es nicht mehr bis in den Bergwald schaffen, könnte eine kleine Aussichtsplattform errichtet werden. Vortragsabende zum Thema 75 Jahre Kriegsende stehen ja ohnehin auf dem Programm für 2020. Leider sind derlei Gedankenspiele weder amüsant noch anregend. Viel besser wäre es, die verantwortlichen Streithähne könnten in absehbarer Zeit gefälligst mal zu Potte kommen. Denn der jetzige Zustand des Trümmergrundstücks ist nicht mehr und nicht weniger als einige gewaltige, unerträgliche Zumutung für die vielen Wolfratshauser, denen ihre Stadt wirklich am Herzen liegt.

© SZ vom 30.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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