Tölzer Prügel:Sensoren machen Druck

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In Wolfratshausen herrscht jetzt Einkaufsstress dank moderner Technik

Kolumne von Florian Zick

Die Soziologie wundert sich schon länger: Wie passt das eigentlich zusammen? Da nimmt uns der technische Fortschritt immer mehr Aufgaben ab. Wir müssen nicht mehr waschen, das macht für uns die Waschmaschine. Die Mikrowelle macht unser Essen warm, da muss man nicht mehr extra das Feuer anschüren. Und dann erst das Smartphone: All die Briefe, die man früher aufwendig per Hand aufgesetzt hat, die Fotoalben, in die man mühsam die Bilder einsortieren musste - das geht heute alles digital. Eine wahnsinnige Arbeitserleichterung - und trotzdem hat der moderne Mensch keine Zeit. Wir sind einfach nur noch gestresst.

Vielleicht sollten die Wissenschaftler mal am Supermarktparkplatz an der Schießstättstraße in Wolfratshausen vorbeischauen. Dort gibt es einen Hinweis auf den verhängnisvollen Zusammenhang von Stress und Technik. Neuerdings ist dort nämlich auf jedem Stellplatz in der Mitte ein gelbes Hütchen montiert, ein sogenannter Parksensor. Dieser misst, ob und wie lange der Platz bereits besetzt ist. Ein Schild weist zudem darauf hin, dass man dort jetzt nur noch eine Stunde lang stehen darf - maximal. Sonst gibt es einen Strafzettel über 30 Euro - mindestens.

Toll, was man mit moderner Technik inzwischen alles machen kann. In Städten wie München wäre der Einsatz von Parksensoren auch durchaus sinnvoll. Man müsste auf der Suche nach einem Parkplatz nicht mehr zahlreiche Runden um den Block drehen. Ein Blick aufs Handy, und schon weiß man: Ah, da ist etwas frei. Was die Parksensoren auf dem Supermarktparkplatz in Wolfratshausen sollen, das erschließt sich einem allerdings nicht wirklich. Außer einer Eisdiele und einem Kinderarzt gibt es im Umfeld kaum Gründe fürs Fremdparken.

Seit die Schilder dort stehen, sieht man die Leute jedenfalls hektisch durch den Supermarkt flitzen. Rentner sausen durch die Obstabteilung. Äpfel, Bananen, Mandarinen - alles in den Wagen. Dann schnell weiter zur Tiefkühltruhe. Im Drogeriemarkt nebenan dasselbe Bild. Ein kurzer Stopp am Schaukelpferd - dafür haben Familien jetzt keine Zeit mehr. Eine Stunde ist für einen Wocheneinkauf schließlich keine lange Zeit, zumal wenn man Kinder dabei hat.

Getrieben von der Parkplatztechnik und dem drohenden Strafzettel ist man nach einer rasanten Stunde fertig. Oder besser gesagt: fix und fertig. Die Wäsche daheim macht man ausnahmsweise mit der Hand, ein bisschen entschleunigen - ohne Technik.

© SZ vom 07.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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