Tölzer Prügel:Pirouetten um den Notstand

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Die Städte Wolfratshausen und Penzberg leisten sich Eisflächen, die Tonnen Kohlendioxid produzieren. Wo bleibt da der Klimaschutz?

Kolumne von Klaus Schieder

Wolfratshausen kurvt vorneweg. Die Loisachstadt, die sich lange darüber ärgern musste, immer wieder als "Stillstandshausen" apostrophiert zu werden, ist im Landkreis geradezu der Vortänzer im Klimaschutz. Vor knapp drei Monaten haben die Stadträte mehrheitlich beschlossen, den Klimanotstand auszurufen: Fortan wollen sie alle Beschlüsse auf ihre klimatischen Auswirkungen hin prüfen, wobei die CO₂-Reduzierung eine besondere Rolle spielen soll. Das ist sehr löblich. Auch in Penzberg soll dies geschehen, wobei den Stadträten der "Notstand" jedoch zu martialisch klang, weshalb sie ihn durch "Offensive" ersetzten. So oder so, hier wie dort, wird der Klimaschutz gleich mal an die Bande gecheckt wie ein Eishockeycrack, sobald es um den Freizeitspaß geht.

Beide Städte leisten sich vom Advent bis Dreikönig eine Eisbahn unter freiem Himmel. Diese winterlichen Open-Air-Arenen fressen in der Regel jede Menge Strom und Wasser, zudem stoßen sie Tonnen von Kohlendioxid aus. Irgendwelche Ausgaben für Klimaschutzprojekte, die diesen Verbrauch ausgleichen, wurden von beiden Stadträten nicht beschlossen. So ist das eben in der Lokalpolitik: Wer sich für den Klimaschutz einsetzt, hat die "Friday for Future"-Zeichen der Zeit erkannt, aber wählerstimmenmäßig dürfte es vermutlich noch mehr nützen, wenn man den Leuten tunlichst nicht beim vorweihnachtlichen Schlittschuhlaufen dazwischen grätscht. Also geht's zur Not gleich mal ohne Klimaschutz.

Die Doppelmoral kann man den Stadträten noch nicht einmal groß vorwerfen. Sie entscheiden kaum anders, als ihre Wählerschaft handelt. Und die - sprich: wir alle - frönen den Klimaschutzzielen oftmals nur so lange, wie sie unserer Freiheit und Freizeit nicht zu sehr in die Quere kommt. Das gilt fürs Fliegen in den Urlaub, fürs Einsteigen in den SUV statt in Bus oder Bahn, für den Besuch von Schwimmbädern oder Saunen, für den Verzehr von Fleisch oder auch exotischen Früchten, die um den halben Globus transportiert werden müssen. Oder eben fürs Kufenlaufen auf einer herkömmlichen Eisbahn im Advent. Klimaschutz? Nun ja, dann halt ein anderes Mal.

Eine solche Laissez-faire-Haltung kann sich allerdings niemand mehr leisten angesichts der Szenarien, die Wissenschaftler als Folgen der Erderwärmung prophezeien. Die werden schon jetzt weit furchtbarer sein, als viele wahrhaben wollen. Das bedeutet zwar nicht, dass niemand mehr Schlittschuh laufen darf in Wolfratshausen und Penzberg. Die Stadträte sollten sich dort in Zukunft aber schon ernsthaft überlegen, wie sie diesen Freizeitspaß zumindest klimaneutral gestalten wollen. Ansonsten wäre die Ausrufung des Notstands lokalpolitisch nicht mehr als ein Toeloop mit Bauchlandung.

© SZ vom 09.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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