Tölzer Prügel:Ohne Ruhe im Hüüsli

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Für das Klosett hat sich der Mensch schon manch feine Umschreibung einfallen lassen: Retirade, zum Beispiel, das Prive, das Häusl oder auch das Hüüsli, wie die Schweizer sagen. Andere sprechen vom "stillen Örtchen". Dass dies aber nur ein Euphemismus ist, musste jetzt ein Asylbewerber in Wolfratshausen erfahren, der auf dem WC von einem Security-Mitarbeiter aufgeschreckt wurde. Dabei wollte er in der Kabine ja bloß einen Joint durchziehen

Kolumne Von Klaus Schieder

Der Mensch ist ziemlich fantasiereich, wenn es darum geht, einer anrüchigen Angelegenheit verbal eine andere Duftnote zu geben. Das gilt gerade auch für Begriffe wie das Privé, die Retirade, das Häusl oder, wie die Eidgenossen sagen, das Hüüsli. Beschrieben wird damit einfach das Klo. Dem hat irgendjemand auch mal das Synonym "stilles Örtchen" verpasst und damit nur bewiesen, dass er noch nie eine öffentliche Toilette benutzt hat. Im Groß-WC im Souterrain des Münchner Hauptbahnhofes kann der Besucher gegen einen Euro Eintritt beispielsweise eine saubere Kabine bekommen, ist aber nicht davor gefeit, dass unterm Türschlitz plötzlich ein Wischmop auftaucht und vor der heruntergelassenen Hose herumfuhrwerkt. Und auch der Flüchtling, der dieser Tage spätabends die Gemeinschaftstoilette einer Wolfratshauser Asylunterkunft aufsuchte, hatte keine Ruhe im Privé.

Der junge Mann hatte sich dorthin zurückgezogen, um ungestört und in aller Abgeschiedenheit einen Joint durchzuziehen. Aber leider durchstreift die Security in diesem Haus nicht bloß laute Gänge und Aufenthaltsräume, sondern auch die vermeintlich stillen Örtchen. Einer der Sicherheitsleute, der mit feiner Nase aus den toilettenspezifischen Ausdünstungen das Marihuana herausgerochen hatte, öffnete mit einem Ruck die Kabinentür. Aber nur für eine Sekunde. Der Raucher schlug sie reaktionsschnell wieder zu. Danach hörte der Security-Mitarbeiter bloß noch Wasser rauschen. Eine "verdächtige Toilettenspülung", wie die Polizei später in ihrem Bericht schreiben sollte. Gegen den Asylbewerber soll jetzt Anzeige erstattet werde.

Vermutlich steht Aussage gegen Aussage. Das wäre nicht passiert, hätte man ein wenig Fantasie gezeigt und beispielsweise Spiegelfenster eingebaut, die Künstlerin Monica Bonvincini schon vor sieben Jahren einer öffentlichen Toilette in London verpasste. Dort konnten die Nutzer nach draußen schauen und Passanten hereinblicken sehen, ohne von diesen bemerkt zu werden. In Wolfratshausen hätte man solche Fenster nur verkehrtherum installieren müssen. Dies würde Sicherheitsleuten die Arbeit erheblich erleichtern. Sofern die Türen im Hüüsli nicht falsch eingesetzt werden.

© SZ vom 20.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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