Tölzer Prügel:Einheitsbrei statt Mehrwert

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In Glentleiten, unweit des Kochelsees, werden historische Gebäude gerettet. Wenige Kilometer weiter nördlich wird eine ganz andere Strategie gepflegt.

Glosse Von Kaija Voss

Kochel am See ist schön, ihre Landschaften typisch. Doch dort, wo sich Menschen aus nah und fern gerne aufhalten, ist es besser, kein ortsbildprägendes Haus zu sein, zumindest nicht aus den 1920er-Jahren. Denn dann stünde womöglich ein Abriss bevor. So geschehen mit dem Kochler Verstärkeramt in 2020 und jetzt mit dem Ferienheim von Emil Freymuth.

Begründungen dafür finden sich immer. Im Falle des Ferienheims etwa hieß es, die Bedeutung des Hauses sei nicht bekannt gewesen. Da hätte Lesen helfen können, schließlich erschienen in der Süddeutschen Zeitung und anderen Medien von 2017 an mehrere Artikel über dessen architektonischen Wert. Weitere Argumente der Abriss-Befürworter: Wasser- und Brandschäden sowie Umbauten der Originalsubstanz behinderten die Unterschutzstellung, das Haus habe zu lange leer gestanden, Proteste gegen den Abbruch seien zu spät gekommen, der Landesdenkmalrat ebenfalls ... die Liste ließe sich noch fortsetzen.

All diesen Stimmen sei gesagt: Ein ortsbildprägendes Gebäude bedarf nicht des (Denkmal-)Schutzes, weil es einen Top-Bauzustand hat und in alle Richtungen glänzt und strahlt wie ein Barockschloss. Der Wert eines Gebäudes kommt laut Bayerischem Denkmalschutzgesetz von seiner "geschichtlichen, künstlerischen, städtebaulichen, wissenschaftlichen oder volkskundlichen Bedeutung" - und nicht daher, weil die institutionalisierte Denkmalpflege pünktlich war.

Legitim und verständlich, dass alle Beteiligten ihre Interessen vertreten. Dass aber das Bayerische Landesdenkmalamt als Anwalt und Stimme besonderer Gebäude die Unterschutzstellung eines der letzten baulichen Zeugnisse der Moderne am Alpenrand mehrfach verweigert hat, erschüttert die Fachwelt und ehrenamtliche Denkmalschützer. Sie trauern um das Kochler Ortsbild, das nun um zwei historische Häuser ärmer ist, und dafür dem Einheitsbrei der Investorenarchitektur ein Stück näher rückt. Bis dahin wartet Kochel nun mit einer Verstärkeramts-Brachfläche am Ortseingang auf, wo das Bauschild ein Haus zeigt, über das sich nachfolgende Generationen wohl kaum Gedanken um den späteren Denkmalschutz machen müssen. Und eben bald eine zweite Brachfläche, direkt am Seeufer, wo einst der kühne, geschwungene Baukörper des Ferienheims thronte und von den Fähigkeiten vergangener Architektengenerationen zeugte.

Ob es sich künftig in Kochel für jeden Ausflügler lohnen wird, nur der Landschaft wegen die saftigen Parkgebühren zu zahlen? So mancher überlegt sich vielleicht, für einen Mehrwert weiterzufahren. Etwa ins Freilichtmuseum Glentleiten. Während in Kochel die Originale der Reformarchitektur der Bayerischen Postbauschule und der Aufbruch in die Moderne verschwunden sind, ist dort immerhin eine Tankstelle der Nachkriegsmoderne der Erhaltung wegen aufgebaut.

© SZ vom 28.03.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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