Alpenländisches Konzert im Tölzer Kurhaus:Bravo, Buama!

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Mit volkstümlichen Gesängen, heiteren Hirtenliedern und besinnlichen Weisen stimmen die Tölzer Knaben das Publikum auf die stillste Zeit im Jahr ein. (Foto: Hartmut Pöstges)

Der Tölzer Knabenchor bietet ein rundum gelungenes Programm, mal beschaulich, mal dramatisch, aber auch andächtig und lustig.

Von Hans Hoche, Bad Tölz

Autos fahren vor, Türen schlagen, durch das regennasse Dunkel huschen Gestalten. Einzeln, paarweise oder auch mal mehr. Ein großer, bulliger, dreiachsiger Bus mit Ansbacher Kennzeichen hält auf dem Platz und spuckt über die beiden sich fauchend öffnenden Türen eine nicht enden wollende Menschenmenge aus. Sie alle haben ein gemeinsames Ziel: das Kurhaus von Bad Tölz. Der Grund dafür hat einen klangvollen Namen: Tölzer Knabenchor. Anlass dafür ist dessen abendliches Konzert "Alpenländische Weihnacht". Dichtgedrängt sammelt sich das Publikum im Foyer, in geduldiger Erwartung. "Ach, wann kommen jene Stunden, ach wann kommet jene Zeit..." hört man durch die noch geschlossenen Portale den Knabenchor sich einsingen. Es kann also nur noch Minuten dauern. Dann öffnen sich die Türen, der Einlass beginnt, man sucht die Nummer seiner Sitzreihe und die seines Platzes. Vereinzelt grüßt man jemanden oder winkt sich zu. Man tauscht sich aus. Über dies und das. Besonders über das Sauwetter.

In den Geräuschpegel der Unterhaltung mischen sich die Klänge des Nachstimmens der Harfe. Ein gutes Signal. Und dann kommen sie schnellen Schrittes herein, von der Seite durch den Mittelgang im Saal, die Tölzer Sängerknaben, und wer Glück hat, in der richtigen Reihe zu sitzen, kann ihre Gesichter so nahe sehen wie während des ganzen Konzertes nicht. 25 kleine Persönlichkeiten in ihrem typischen Outfit: rot-weiß kariertes Hemd, Lederbundhose und rote Strümpfe. Für Blicke links oder rechts haben sie keine Zeit, ihr Ziel ist die Bühne, der sie frei von Hektik entschlossen zueilen. Man merkt, sie sind bühnenerfahren. Sie nehmen ihre Positionen ein, die Musiker Clemens Haudum, Akkordeon, und Moritz Demer, Harfe, sind spielbereit, und der Chorleiter Gerhard Jacobs wartet im Hintergrund.

Heute Berlin, morgen Hamburg

Mehr als 50 Auftritte hatten die Tölzer Knaben seit dem 1. Advent, erklärt Barbara Schmidt-Gaden, die Geschäftsführerin der Tölzer Knabenchor GmbH, in einer kurzen Begrüßung. Der Chor bestehe aus 150 Buben aufgeteilt in fünf Gruppen mit unterschiedlichen Leistungsprofilen bis hin zu den Solisten. Davon singen just am selben Abend drei in der Berliner Oper in Mozarts "Zauberflöte", und am Folgetag machen das drei andere in der Hamburger Oper. Tölzer Knabensänger sind auf allen Weltbühnen präsent.

Endlich beginnt das Konzert. Glockenhelle Knabenstimmen füllen den Saal. Es erklingt Bekanntes und weniger Bekanntes, aus alpenländischen Regionen und darüber hinaus. Gesangliche Kostbarkeiten auch aus der Steiermark, dem Pongau und aus Niederbayern. Beschauliches und Dramatisches, Andächtiges und Lustiges im Wechsel. Je nach Lied gesungen vom gesamten Chor oder von Solisten oder Solistengruppierungen. Auf das Südtiroler Lied "Ach, wann kommen jene Stunden", folgen "Rorate" und "Gegrüßt seist du, Maria". Die Knaben sind ernsthaft bei der Sache, hochkonzentriert und doch gleichzeitig mit jugendlicher Coolness. Eitelkeit und Lampenfieber scheinen noch unbekannt zu sein.

Das Thema Herbergssuche, fester Bestandteil der Geburtsgeschichte Jesu, wird in dem Lied "Wer klopfet an" mit wechselnden Wirten dargestellt. Das Drama der missglückten Herbergssuche wird noch ein weiteres Mal thematisiert mit dem Tiroler Lied "O lieber Hauswirt mein". Das darauf folgende Instrumentalstück mit Harfe und Akkordeon bietet den Sängerknaben eine entspannte Sitzpause und manchem Konzertgast die Möglichkeit, seine Gedanken darüber schweifen zu lassen, ob der Heiligen Familie das gleiche Schicksal beschieden gewesen wäre, hätte es nicht in Bethlehem sondern in Bad Tölz stattgefunden. Dem Evangelisten Matthäus zufolge (24:44) wird ja der Menschensohn wiederkehren, "zu einer Stunde, da ihr's nicht meint". Wäre Bad Tölz heute dafür nicht viel geeigneter als damals Bethlehem? Da ist alles vorhanden, Quartier, Hirten, Weidetiere, ja sogar die kleinen singenden Engel in Gestalt der Tölzer Sängerknaben.

Der berühmte Andachtsjodler "Mürztaler Engelruf" aus der Steiermark holt die Aufmerksamkeit wieder zurück auf die Bühne und dann wird es stellenweise ausgelassen mit "Geht's Buama, steht's gschwind auf" und den für nicht-bayerische Konzertgäste exotisch klingenden Liedtiteln "Schlapprawoit" und "Krumperhax". Dass die Knaben dabei allerfeinste Dialektfähigkeit beweisen, versteht sich. Das zeigt sich auch im Lied "Heißa Buama", einem Anglöckellied aus dem Pongau. Damit sind früher Kinder singend von Haus zu Haus gezogen und bekamen dafür Süßigkeiten geschenkt.

Die Zeit vergeht wie im Flug. Das Konzert nähert sich dem Ende. Unter den letzten Liedern erklingt auch "Es wird scho glei dumpa", und mancher erinnert sich dabei, dass 1981 die Gruppe Boney M das als Hit um die Welt getragen hat mit dem Titel "Darkness is falling". Sie waren erfolgreich damit, obwohl ihrer Interpretation völlig der Zauber fehlte, der dem Gesang dieser Tölzer Knaben heute innewohnt.

Auf den anhaltend heftigen Applaus mit Bravorufen folgen zwei Zugaben, zuletzt der "Andachtsjodler", der dem Publikum die richtige Grundstimmung für den Nachhauseweg gibt. Der große Reisebus vor dem Kurhaus füllt sich nun wieder, und auf Nachfrage antwortet vor dem Besteigen ein Reisemitglied aus Offenburg: "Es war wunderbar!" Ja, das war es in der Tat.

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