Die Aufgabe von Kunst ist es nicht, Antworten zu geben, sondern Fragen zu stellen. Kunst bietet Freiräume für Gedankenspiele, sie kann irrlichtern, schweifen und Umwege gehen; sie ist nicht den Gesetzen von Stringenz und Machbarkeit unterworfen. Mit ihren Mitteln kann sie dennoch Beiträge zu gesellschaftspolitischen Fragestellungen liefern und dabei helfen, eine Haltung zu entwickeln. Dies will auch die am Sonntag zu Ende gehende Ausstellung "Ein Brunnen für alle", welche die beiden Künstler Till Krause und Florian Hüttner konzipiert und mitgestaltet haben. Eine Lösung für die Zukunft des Badeteils kann und will sie nicht präsentieren - "damit würden wir unseren Rahmen verlassen", stellte Hüttner klar.
Mit einem konkreten Ort als Ausgangspunkt will die Ausstellung weitergehende Fragen stellen und einen Diskurs anregen. Diese Stelle, an der sich alles kristallisieren soll, ist eine Quelle im Herderpark aus den 1920-er Jahren, rund 60 Meter tief, mit unbekannter Ausdehnung, die früher die Hälfte des Wassers für den Betrieb der Kuranlagen lieferte. Sie ist im Besitz der Jodquellen AG, bei der die Stadt Bad Tölz knapp 30 Prozent der Anteile hält. Die Quelle wird nicht mehr genutzt, wie die Wandelhalle, das Alpamare oder der Jodquellenhof liegt sie brach. Durch den Streit zwischen der Jodquellen AG, die auf dem Areal Wohnungen bauen möchte und der Stadt, die dort nur eine touristische Nutzung zulassen will, ist vieles nicht mehr im Fluss im Kurviertel.
Seit 2012 stellt Hoefter die Wandelhalle Hüttner und Krause zur Verfügung. "Wir wollten unseren Freund und Gastgeber Anton Hoefter mit der Fragestellung der Ausstellung herausfordern", sagte Krause am Sonntag. Aber nicht nur ihn. "Die Frage des Teilens richtet sich an uns alle." Die tatsächliche Realisierung eines Brunnens ist nicht das primäre Ziel der Ausstellung, aber der gewünschte Abschluss einer gesellschaftlichen Diskussion. Mit einer intellektuell anspruchsvollen Veranstaltung am Sonntag sollte ein Anfang gemacht werden. Die Diskussion konnte nicht in der Wandelhalle stattfinden, weil das Landratsamt das Betreten wegen der noch immer großen Schneelast auf dem Dach des denkmalgeschützten Gebäudes verboten hat.
So haben sich etwa 40 Interessierte im nahe gelegenen Gasthaus Binderbräu eingefunden, die Brunnenentwürfe wurden auf Videoleinwand präsentiert und von den anwesenden Künstlern erklärt.
Eine Woche hatten sie Zeit für ihre Brunnenentwürfe, die sich dem Thema Wasser und Quelle auf ganz unterschiedliche Weise näherten: Der Raum, in dem die Quelle sich im Erdinneren ihren Weg bahnt, wurde in Beziehung zum menschlichen Körper gesetzt, ihre erdzeitgeschichtliche Dimension verdeutlicht oder eine Nutzung als heiße Geothermie-Quelle mittels eines dampfenden Samowar-Brunnens künstlerisch umgesetzt. Die reine Mineralwasserquelle wurde als Kathedrale des Abwassers gestaltet, als ein Netz von Becken für unterschiedliche Nutzer - etwa für Fadenmolch, Sumpfgladiole, Mensch und Marmor - über das Stadtgebiet gelegt. Oder als Farbfeldmalerei konzipiert, die sich auf dem Boden der Wandelhalle und auf dünnem Papier frei entfalten konnte, wie die Quelle.
In der anschließenden Diskussion, zu der auch Stadtpfarrer Peter Demmelmair, die Wackersberger Künstlerin Sabrina Hohmann und der Standortgutachter Franz Mettal eingeladen waren, zeigte sich Jodquellenchef Anton Hoefter offen für einen "Brunnen für alle". Die "Provokation" des Projekts, die explizit die Frage nach Eigentum und Nutzungsrecht eines Guts von existenzieller Bedeutung stellt, finde er gut, sagte Hoefter. Die Herderquelle "könnte, sollte, müsste zugänglich gemacht werden". Wie eine konkrete Umsetzung aussehen könnte, die den Brunnenschacht auch vor Verschmutzung schütze, müsste freilich geklärt werden. "Dass die Quelle jeder nutzen kann, könnten wir uns sehr gut vorstellen", sagte Hoefter. Zur Zukunft der Wandelhalle, von Alpamare oder Jodquellenhof äußerte er sich nicht. Ein Gespräch mit der Stadt sei momentan nicht möglich. "Aber nicht wir haben den Dialog abgebrochen", betonte der Jodquellen-Chef.
Pfarrer Demmelmair lobte alle sechs Entwürfe als "großartig". Für die Stadt wäre eine Brunnen für alle "eine unglaubliche Bereicherung", sagte er unter großem Applaus. "Eine Quelle zu haben ist ein Bild für Gott, der sich verschenkt und nicht weniger wird." Er wolle an die "guten Seiten von Hoefter anklopfen", andernfalls müsse er "mit Himmel und Hölle drohen", scherzte der Stadtpfarrer. Künstlerin Sabrina Hohmann lobte die vielen "Gedankenvorschläge", die sich in den Modellen manifestierten. Die Fragestellung rege an, sich klar zu machen, "wer sind alle und was wollen wir?" Kunst sei nicht dem Leistungsgedanken unterworfen. "Es muss nicht immer alles zu etwas führen", sagte Hohmann.
Franz Mettal, der die Künstler mit geologischen Informationen bei ihrer Arbeit unterstützt hatte, wertete die Ausstellung als "Fanal": "Seid achtsam mit Trinkwasser." Der Vorschlag eines Teilnehmers, Schulen und Jugendvereine zu beteiligen, wurde von den Künstlern begrüßt. Von Grünen-Kreisrat Achim Rücker kam der Appell an Hoefter, es in Tölz nicht so weit kommen zu lassen wie in Bad Heilbrunn, wo 30 Jahre Streit zwischen Gemeinde und Jodquellen AG die Entwicklung des Orts gelähmt hatte.