Theatergruppe Eukitea:Rache auf Facebook

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Die Theatergruppe Eukitea zieht Sechstklässler der Realschule Geretsried mit einem Stück über Cyber-Mobbing in ihren Bann. Das Fazit einer Schülerin: "Wie im wahren Leben".

Von Thekla Krausseneck, Geretsried

Mit diesem Ende hat Luke nicht gerechnet. Er verliebt sich in seine Mitschülerin Samira, ist zwei Monate lang glücklich, fühlt sich dann doch überfordert und macht Schluss. Vor Wut und Traurigkeit postet das Mädchen ein peinliches Foto von Luke in einer Whatsapp-Gruppe. Mitschüler machen sich einen Spaß daraus, erstellen eine eigene Facebook-Seite für das Foto, sammeln hunderte Likes und boshafte Kommentare. Luke wird depressiv, erscheint nicht mehr in der Schule. Als die Übeltäter die Seite am Ende löschen und sich bei ihm entschuldigen, weil sie merken, dass sie zu weit gegangen sind, ist nichts mehr wie es vorher war.

Ein Leben ohne Smartphone können sich die meisten Jugendlichen nicht mehr vorstellen: Als die heutigen Sechstklässler ein Jahr alt waren, stellte Apple sein erstes iPhone vor. In den vergangenen zehn Jahren haben sich die Entwicklungen überschlagen, die Kommunikationswege junger Menschen haben sich grundlegend verändert - und auch die Art, wie sie mobben. Die Theatergruppe Eukitea hat das Thema Cyber-Mobbing in dem Stück "I like you" aufgearbeitet und es am Dienstag den sechsten Klassen der Realschule Geretsried vorgespielt. Die Geschichte von Luke und Samira sei ein klassischer Fall, sagt der Schulpsychologe Florian Geißler. Im vergangenen Schuljahr habe er drei Fälle von Cyber-Mobbing betreut.

Die drei Darsteller verkörpern sechs verschiedene Charaktere: Olaf Dröge spielt Luke und den Klassenclown Miro, der die verhängnisvolle Facebook-Seite erstellt; Michael Gleich stellt Lukes besten Freund Felix und den vernünftigen Marvin dar; und Josephine Volk wird zu Samira und deren betont cooler Freundin Nadine. Computer oder gar eine Kulisse brauchen sie nicht, nur drei Drehstühle und ab und zu ein Smartphone. Mehr ist nicht nötig: Von der ersten Szene an, in der die jungen Leute nacheinander ihre virtuellen Identitäten erstellen, indem sie mit den Fingern auf unsichtbaren Tastaturen tippen und sich Namen wie LukeSkywalk2000 geben, ist den Schülern alles klar. Die schwierigste Hürde ist genommen, das Publikum identifiziert sich mit den fiktiven Jugendlichen. "Von den Lehrern bekommen wir oft die Rückmeldung: Diese sechs, die kenne ich, die habe ich alle in meiner Klasse", sagt Dröge, der auch Regisseur des Stücks ist.

Entwickelt wurde "I like you" 2014 von einem Berliner Team der Theaterorganisation Eukitea. Für die Recherche sprachen die Schauspieler mit Jugendlichen, die von ihrer Lebenswelt erzählten und einschätzten, wie sie mit ähnlichen Situationen umgingen. Die Schüler werden nicht mit einem offenen Ende allein gelassen: Das Stück zeigt eine mögliche Lösung für den Konflikt. Doch kaputtgegangen ist trotzdem etwas: Luke fehlt die Lebensfreude. Details wie dieses arbeiten die Darsteller anschließend in Workshops mit den Kindern heraus. Und da zeigt sich dann auch, wie gut das Stück funktioniert hat: "Es war wie im wahren Leben", sagt eine Sechstklässlerin. Und eine andere meint: "Ich fand das Ende komisch, weil ja irgendwie doch nicht alles gut war. Es war zu viel passiert." Ein Junge findet die Auflösung unrealistisch: "Ich hätte mich nicht mehr mit denen vertragen", sagt er.

Schulpsychologe Geißler gehört der Präventions-AG an, zu der sich Lehrkräfte der Realschule und der Schulsozialarbeiter zusammengeschlossen haben, um Projekte wie dieses zu initiieren. Im vergangenen Schuljahr kam ein ehemaliger Polizist zu einem Vortrag, außerdem gab es einen Elternabend mit dem Themenschwerpunkt Cyber-Welten. Im Internet seien die Jugendlichen enthemmt und posteten Fotos in Gruppen, ohne zu bedenken, dass sie damit ein großes Publikum erreichten. Kommt es zu Konflikten, erfährt die Schule meist erst davon, wenn es richtig schlimm geworden ist. Die Fälle, die Geißler im vergangenen Jahr betreute, konnten glücklicherweise aufgefangen werden.

© SZ vom 08.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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