Die Aula des Rainer-Maria-Rilke-Gymnasiums ist in eisblaues Licht getaucht. Uniformierte graue Herren schleichen durchs Publikum, ständig auf der Suche nach Zeitverschwendung. Die Widersacher der kleinen Momo rauchen die Zeit der Menschen aus dicken, weißen Zigarren. Dunstwolken steigen aus einer Dampfmaschine empor, der ein oder andere Zuschauer muss husten.
Nach der spektakulären Tanztheater-Inszenierung von "Momo" am Tölzer Gymnasium vor einem Jahr hat sich nun auch die Theatergruppe der Unterstufe in Icking Michael Endes Klassiker vorgenommen. "Momo ist ein Stück, das ans Herz geht", sagt Lehrerin Carolin Reigl. "Es ist sehr vielschichtig und hat verschiedenste Dimensionen. Es ist spannend, romantisch und lustig zugleich - damit kann man vieles aus den Kindern herausholen." Reigl unterrichtet am Rilke-Gymnasium Deutsch, Sport und Ethik und leitet seit ein paar Jahren auch die Theatergruppe.
Fast alle Kinder, die bei "Momo" mitwirken, stehen heuer zum ersten Mal vor Publikum auf einer Bühne. Als Grundlage fürs Theaterspielen sei es wichtig, lautes Sprechen und Bühnenpräsenz zu erlernen, sagt Reigl. "Das hat am Anfang viel Zeit und Geduld erfordert, aber alle haben es toll gemeistert."
Insgesamt hatten 22 Kinder Lust mitzumachen, sodass das Stück in zwei verschiedenen Besetzungen aufgeführt wird - mit zwei verschiedenen Momos. In der Premiere am Montag wird das Waisenkind, das nicht weiß, wer seine Eltern waren, und sein Alter auf ungefähr hundert Jahre schätzt, von Anton Lauffs aus der sechsten Klasse gespielt.
Große Schwierigkeiten habe ihm das Einüben einer Mädchenrolle nicht bereitet, sagt Anton. Er findet:. "Momo ist eigentlich auch eher ein Zwischending zwischen Junge und Mädchen." Anton würde später gern einmal Schauspieler werden. Und auch für Leticia Scheller, die in der zweiten Aufführung die Rolle der Momo übernimmt, ist das ein Traumberuf. "Das Schwierige an der Rolle ist, sich in all die Gefühle hineinzuversetzen, die Momo hat", erklärt sie. "Sie ist selbstbewusst, mutig und frech, will immer alles wissen und mithelfen. Zwischendurch ist sie aber auch sehr einsam."
Die Gruppe probt das Stück seit Februar in der klassischen Drehbuchversion, an der Reigl minimale Änderungen vorgenommen hat. So tanzt Momo nicht nur mit ihren Freunden zu spanischen Reggaeton-Beats, auch Spotify-Accounts und Bluetoothboxen halten in ihrem Amphitheater Einzug. Kunstlehrerin Anja Thiemann, die für das Bühnenbild zuständig ist, hat dafür mit Styropor gefüllte Säulen aufgebaut. Die runde Form des römischen Theaters ist mit einer über den Schauspielern schwebenden Konstruktion aus Rohren und Lichterketten angedeutet.
Thiemann hat sich auch das Kostüm für die hellsehende Schildkröte Kassiopeia ausgedacht, die einen orangefarbenen Helm und einen Feuerlöschkasten als Panzer trägt. Gespielt wird sie von Lucia Tepelmann, die für die Premiere außerdem die Rolle der Puppe Billy Girl und die musikalische Begleitung übernahm. Wenn sie also nicht gerade ihr Kostüm wechselt, laufe sie "zwischen Bühne und Klavier hin und her", sagt Lucia, die einige der Klavierstücke sogar selbst komponiert hat.
Am Ende gibt es auch für sie großen Applaus und eine Stundenblume. Damit konnten Momo und Kassiopeia sich, ihre Freunde und das ganze Publikum vor den grauen Herren retten und alle zum Denken anregen. Vielleicht, so könnte das Publikum gelernt haben, sollte man es halten wie Momos Freund Beppo Straßenkehrer, gespielt von Leon Stephan: "Nur an den nächsten Schritt, den nächsten Atemzug, den nächsten Besenstrich denken."