Theater in Bad Tölz:Verstörendes Experiment

Lesezeit: 2 min

Was im Leben wichtig ist: Verena Peck, Stefan Riedl, Susanne Pienkowski, Ulla Haehn, Marc Schröder und Andrea Geiger (von links) wagen sich wieder an einen anspruchsvollen Stoff. (Foto: Manfred Neubauer)

Die "Komische Gesellschaft" bringt den umstrittenen dänischen Roman "Nichts. Was im Leben wichtig ist" als szenische Lesung auf die Bühne

Von Petra Schneider, Bad Tölz

Dem Namen nach ist die Theatergruppe in der Madlschule zwar eine komische Gesellschaft. Seit Jahren steht die Gruppe um Regisseurin Ulla Haehn und Vorsitzende Verena Peck aber für anspruchsvolle Theaterarbeit, die sich nicht vor kontroversen Themen scheut und den Zuschauern reichlich Gedankenfutter liefert. Seichte Boulevardkomödien sind nicht Sache der Komischen Gesellschaft (KG), das haben sie in viel gelobten Inszenierungen wie "Frostnacht" oder "Der Vorname" unter Beweis gestellt. Das Stück, das sich die Gruppe nun vorgenommen hat, folgt diesem Selbstverständnis: "Nichts. Was im Leben wichtig ist", eine szenische Lesung nach Janne Teller.

Der Jugendroman der dänischen Autorin ist eine Parabel über die Suche nach dem Sinn des Lebens. Verstörend, radikal, grausam. Seit seiner Veröffentlichung in Dänemark im Jahr 2000 ist der Roman umstritten. Er wurde zunächst an dänischen Schulen verboten: Die Aussagen seien nihilistisch, jungen Menschen werde eine positive Lebenssicht geraubt und sie womöglich zur Gewalt motiviert. Die Einschätzung änderte sich schnell. Bereits ein Jahr nach der Veröffentlichung wurde der Roman mit dem Kinderbuchpreis des dänischen Kultusministeriums ausgezeichnet. In Deutschland erschien er 2010 und wurde für den Jugendliteraturpreis nominiert.

Bei den Mitgliedern der KG sei die Entscheidung für den Stoff einmütig gefallen, sagt Haehn. Denn er sei aufwühlend und lasse einen nicht so einfach los: die existenzphilosophischen Fragen, die Gruppenprozesse, die sich entwickeln. "Die Zuschauer werden aus dem gut zweistündigen Bühnenstück nicht pfeifend rausgehen", sagt Stefan Riedl, der zusammen mit Andrea Geiger, Verena Peck und Susanne Pienkowski auf der Bühne steht. Marc Schröder ist aus dem Off zu hören. Schauplatz ist ein in Trümmern liegendes Sägewerk. Dort treffen sich vier junge Erwachsene, um Ereignisse während der gemeinsamen Schulzeit Revue passieren zu lassen, die ihre Existenz ins Wanken gebracht hatten. Auslöser war damals die Behauptung eines Mitschülers, dass nichts im Leben eine Bedeutung habe. Die Gruppe versucht dies zu widerlegen, in dem sie einen "Berg der Bedeutung" aufrichtet. Zunächst aus materiellen Dingen, die ihnen wichtig sind - ein Rennrad, die Lieblingssandalen, Boxhandschuhe. Aber weil ein besonders schmerzhaftes Opfer auch ein besonders bedeutendes sein müsse, so die Annahme der jungen Leute, wird eine Spirale psychischer und physischer Gewalt in Gang gesetzt. Wut und Rachegefühle wirken als Katalysatoren. "Die soziale Dynamik, die nicht mehr gestoppt werden kann", das finde sie besonders fesselnd, sagt Peck. Denn darin spiegelten sich auch historische Ereignisse und die Frage: "Wie konnte das passieren?"

Ulla Haehn sieht auch einen Generationenkonflikt. "Das Versagen von Erwachsenen, junge Menschen wirklich auf ihrem Weg zu begleiten." Denn letztlich gehe es um das klassische Jugendthema der Ablösung von etablierten Vorstellungen. In der Inszenierung der KG wird der Roman als Rückblick und Lesung aus Tagebucheinträgen umgesetzt. Anders sei das ob der teils "krassen" Szenen der Romanvorlage auch kaum möglich. "Aber wir sind in unseren Rollen, wir interagieren, betont Peck. "Das ist alles andere als eine statische Lesung."

Alle Schauspieler haben sich wieder intensiv mit dem Stück auseinandergesetzt. Seit Februar laufen die Proben, viel Gedanken haben sich die Akteure auch über das Bühnenbild gemacht, über das sie nicht allzu viel verraten wollen: Ein Pflaumenbaum, Trümmer und Holzpaletten, Schatten der Vergangenheit. "Ich war total überrascht über die tiefe Auseinandersetzung mit dem Stück", sagt Andrea Geiger, die zum ersten Mal bei einer KG-Produktion mitspielt. Das sei schließlich ein Markenzeichen der Gruppe, betont Regisseurin Haehn: "Dass sie sich traut, anspruchsvolle Themen aufzugreifen".

Alte Madlschule, Schulgasse 3, Bad Tölz, Premiere am Freitag, 15. November, weitere Termine am 17., 23., 24., 29. und 30. November, Beginn freitags und samstags 20 Uhr, sonntags 19 Uhr, Vorverkauf Buchhandlung Winzerer

© SZ vom 14.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: