Talentiade 2019:Frauenpower am Puck

Lesezeit: 4 min

Sofie Disl, Sarah Kubiczek und Franziska Klinger spielen Eishockey beim EC Bad Tölz und bei der Frauennationalmannschaft - mit sehr großem Erfolg

Von Nora Schumann, Bad Tölz

Sofie Disl, 17, Sarah Kubiczek, 18, und Franziska Klinger, 18, sitzen am hellen Holztisch der Familie Kubiczek und lächeln schüchtern im warmen Licht der Deckenlampe. So wenig Bewegung und so viele Fragen sind die drei nicht gewohnt, das ist ihnen deutlich anzumerken. Die jungen Frauen spielen Eishockey beim EC Bad Tölz und seit einigen Jahren auch in der Nationalmannschaft. "Wir sind schon in der U15 gesichtet worden und seitdem sind wir alle drei dabei", erzählt Franziska Klinger. Bei der EM 2017 Platz vier, bei der WM 2017 Gold, bei der WM 2018 Aufstieg in die Top Division und 2019 schließlich WM-Silber: Die Tölzerinnen sind mit der Damennationalmannschaft sehr erfolgreich.

Dabei schmunzeln die jungen Frauen über die Unterschiede zwischen Vereinsspiel und Nationalmannschaft. "Im Verein spielen wir mit den Jungs, es gibt nur uns drei Frauen in unserer Altersgruppe", erklärt Franziska Klinger. "Nur mit Mädchen ist es anders", ergänzt Sarah Kubiczek. "Das Niveau ist allgemein ziemlich weit unten im Gegensatz zu den Männern." Langsamer sei das Fraueneishockey und "ohne Körper", also ohne Bodychecks. "Wir haben Glück, weil wir eine Jungenmannschaft haben, die Mädchen nimmt." Nicht jeder Trainer möge das. Bei den Männern können die Spielerinnen maximal bis zur U 20 spielen, dann ist die körperliche Überlegenheit zu groß. "Jetzt wird's schon langsam schwer", sagt Klinger, "die legen dann alle ganz schön zu und werden auch richtig groß". Bei der Taktik und den Laufwegen gebe es hingegen keinen Unterschied, man müsse sich eben mehr anstrengen.

Mit Sofie Disl (im Bild) holten Franziska Klinger und Sarah Kubiczek in diesem Jahr WM-Silber. (Foto: oh)

Kubiczek, Disl und Klinger sind seit Kindertagen Teil der Mannschaft und teilen ihre Leidenschaft mit ihren Familien. "Mein Papa war immer beim Eishockey, und dann wollte ich das auch mal ausprobieren", erzählt Sofie Disl. Kubiczek und Klinger sind durch ihre Brüder zum Sport gekommen. "Ich habe mit drei Jahren angefangen zu spielen", erzählt Kubiczek. Klinger unterbricht: "Mit drei Jahren lernt man erst mal das Eislaufen. Ich habe ungefähr mit fünf angefangen zu spielen." Warum sie den Sport lieben? "Teamgeist", fällt Klinger als erstes ein. "Der Erfolg", ergänzt Kubiczek, "wenn man weiß, dass man etwas erreichen kann".

Klinger spielt in der Verteidigung, Kubiczek als Mittelstürmerin und Disl im Tor. "Als ich klein war, hat mir mein Trainer angeboten, dass ich eine ganze Ausrüstung von ihm bekomme, wenn ich ins Tor gehe. Dann hab ich's ausprobiert und dann wollte ich nicht mehr raus", sagt Sofie Disl. Ihre Ausrüstung sei ziemlich kostspielig. "Schon alleine die Schienen kosten 3000 Euro", erklärt Disl. Sie habe dank eines Sponsors für das komplette Equipment immerhin nur 2700 Euro zahlen müssen. "Ohne unsere Eltern würde gar nichts gehen und wäre auch nie so viel zustande gekommen", sagt Franziska Klinger. Die anderen nicken. "Ich habe dieses Jahr, glaube ich, vier Schläger abgerissen und einer von denen kostet rund 200 Euro".

(Foto: Logo Talentiade)

Es gebe auch die Möglichkeit, auf ausländische Colleges in Kanada oder den USA zu gehen. "Aber wenn man da drüben nicht gut in der Schule ist, dann darf man nicht Eishockey spielen. Und das wäre ein Riesenproblem bei mir", sagt Sofie Disl und lacht. Die Vereinbarung von Training, Wettkämpfen und Schule ist für alle drei eine Herausforderung. Klinger und Kubiczek gehen auf die Fachoberschule (FOS), Disl auf die Realschule. "Man verpasst viel", sagt Sarah Kubiczek, "wir sind ja mindestens einmal im Monat fünf Tage weg auf Trainingslager." "Auf der Realschule war es so, dass die Lehrer immer geholfen haben, aber auf der FOS interessiert das keinen", ergänzt Klinger. "Wenn du nicht da bist, musst du selbst zurechtkommen".

Die Spielerinnen haben viermal in der Woche Training - mehrmals am Tag. "Wir haben einen Athletik- und einen Eistrainer", erklärt Klinger. Auch wenn sie nicht offiziell trainieren, gehen sie jeden Tag aufs Eis. "Am Wochenende haben wir eigentlich immer zwei Spiele", sagt Kubiczek. Die meisten ihrer Freunde spielten auch Eishockey, man habe schlicht keine Zeit für die Klassenkameraden aus der Schule. Trotzdem gebe es viel Anerkennung: "Die finden das richtig krass, die feiern das richtig", sagt Kubiczek.

Da bleibt wenig Platz für die Dinge, mit denen sich andere Jugendliche beschäftigen: Partys, Freizeit, Beziehungen. "Man muss schon auf viel verzichten", sagt Sarah Kubizcek. Klinger erklärt: "Unter der Saison kann man eher wenig Party machen, und Alkohol trinken wir alle eigentlich allgemein nicht. Aber wenn die Eishockesaison vorbei ist, kann man schon mal auf eine Feier gehen." Eine Beziehung habe bei ihr nicht geklappt, sagt die 18-Jährige und wirft ein: "Bei der Sarah hat's funktioniert". "Ja, weil ich verletzt war", erwidert Kubiczek. "Es ist halt auch wirklich stressig", sagt Klinger und betrachtet ihre Fingernägel. "Wenn du schauen musst, dass du deinen Freund nicht vernachlässigst, aber deinen Sport auch nicht, dann springst du hin und her und deine Schulnoten musst du auch noch auf ne Drei kriegen." Das sei ihr zu stressig gewesen. Deshalb habe sie die Beziehung beendet. Man könne sich auch nicht so häufig sehen und brauche jemanden, der akzeptiere, dass sie mit Männern spiele und mit ihnen in der Kabine sei, ergänzt Klinger. "Am besten sucht man sich einen Eishockeyspieler", sagt Kubizcek lachend. Auch auf den Familienurlaub muss manchmal verzichtet werden. In den Sommerferien beginnt bereits das Training, nur an Pfingsten und in diesem Jahr am späten Ostern haben die Spielerinnen frei. "Meine Mama bekommt aber nur in den Sommerferien Urlaub", sagt Franziska Klinger. "Also ich finde die Ferien ohne Eishockey langweilig", kommentiert Sofie Disl trocken.

Was sie nach dem Schulabschluss machen wollen, wissen die drei noch nicht. Bundeswehrsoldatin wäre eine Option, in einer klassischen Ausbildung sei man zu eingeschränkt, findet Franziska Klinger. Die drei wünschen sich, dass ihr Sport populärer wird. Als Mann könne man in Deutschland mit Eishockey seinen Lebensunterhalt verdienen, als Frau sei das leider nicht möglich, sagt Sarah Kubiczek. "In Russland ist das ganz anders, wenn da die Frauen spielen, dann ist die komplette Eishalle voll."

© SZ vom 10.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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