SZ-Serie: Winterwerk, Teil 4:Die Liebe zu den Maroni

Lesezeit: 2 min

Die Wolfratshauserin Safiye Bakar stammt ursprünglich aus der Türkei. Deswegen verkauft sie mit ihren heißen Maroni im Winter immer auch ein Stück Erinnerung an ihre alte Heimat. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Seit 20 Jahren verkauft Safiye Bakar in Wolfratshausen mit ihrem Mann nussig-süße Esskastanien. Die Rentnerin verbindet damit viele Erinnerungen an ihre Kindheit in der Türkei. Auch auf dem Christkindlmarkt und bei der "Eiszeit" ist sie mit einem Stand immer vertreten

Von Nadja Schäble, Wolfratshausen

Das leuchtend rote Schild mit der Aufschrift "Heiße Maroni" fiel in der Dunkelheit sofort auf. Es prophezeite einen winterlichen Snack, heutzutage auf fast allen Märkten und in vielen Fußgängerzonen zu finden ist. Auch beim Wolfratshauser "Eiswolf" prangte das Schild an einem der Stände am Loisachufer. Vorbei an der zentralen Feuerstelle, rechts die schlittschuhlaufenden Kinder, kam man dort direkt zu einer kleinen Hütte. Auf dem Ausgabebrett standen neben kleinen Weihnachtsmännern auch Puderzuckerdosen und Zimt. Denn Safiye Bakar bietet in Wolfratshausen nicht nur alljährlich Esskastanien an, sondern nun auch Waffeln. Das Stück für 1,50 Euro, sieben Maroni für zwei Euro. Reich wird Bakar durch den Verkauf nicht, aber es macht ihr trotzdem Spaß. "Sonst sitze ich nur alleine zu Hause, ", sagt die Rentnerin.

Wenn die Wolfratshauserin mit türkischen Wurzeln ihren Stand betreibt, geht sie vormittags im Großmarkt einkaufen, bereitet den Waffelteig und die Maroni vor, putzt das Verkaufshäuschen und steht abends für mehrere Stunden an den vier Waffeleisen und zwei Maronipfannen. Manchmal wird es eisig kalt, aber der Maronistand hat gegenüber dem Bratwursthaus einen Vorteil: Bei kalten Temperaturen legt Bakar ihre Hände auf die Deckel der Pfannen und wärmt sich.

"Wolfratshausen ist sonst eine tote Stadt, aber hier gibt es Atmosphäre", sagt die Maronifrau und meint die Wolfratshauser "Eiszeit" mit dem Eiswolf. "Das ist eine gute Idee von der Stadt, die Kinder freuen sich." Bakar ist 1973 hierher gezogen, davor war sie vier Jahren lang in Bremerhaven, erst in der Fischindustrie, dann im Textilwesen, schließlich als Reinigungskraft. Die 67-Jährige hat in ihrem Leben viel gearbeitet. Aber das Maroni-Verkaufen "ist jetzt ein Hobby", sagt sie. Die Esskastanien müssen vor dem Erhitzen gewaschen und eingeschnitten werden. Schließlich backen sie 20 bis 30 Minuten lang im Ofen bei 180 Grad oder - wie am Stand - in elektrischen Pfannen, die eigentlich zum Pizzabacken gedacht sind.

Schon seit 20 Jahren betreiben Bakar und ihr Mann auch einen Maronistand auf dem Christkindlmarkt in Wolfratshausen. Früher haben die beiden zusätzlich Döner verkauft, aber die Standgebühren für solche Lebensmittel seien nun zu hoch, sagt Bakar. Deshalb gab es heuer zum ersten Mal auch Waffeln.

Bakars Liebe für Maroni hat mit ihrer Kindheit in der Türkei zu tun. Im Winter habe ihre Mutter die Esskastanien entweder auf den Ofen gelegt oder in den Backofen geschoben, erzählt sie. Diese Bilder und die Erinnerungen an den Geschmack haben Bakar letztendlich auf die Idee mit dem Maronistand gebracht. Und auch heute kauft sie vor allem türkische und italienische Maroni ein. "Die bekommen mehr Sonne ab", erklärt sie. Bricht man die braune Schale auf und probiert Bakars Maroni, dann offenbart sich ein nussiger, frischer und leicht süßer Geschmack. Und vielleicht kann sich dabei der eine oder andere an einem Winterabend in Wolfratshausen sogar an einen Sommerurlaub in der Türkei erinnern. Nur warten muss man nun eben ein bisschen - so lange, bis Bakar nächsten Advent ihren Stand wieder aufmacht.

© SZ vom 25.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: