SZ-Serie: Heimatwerkstatt:Die Welt der Schraubautomaten

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Das Wolfratshauser Unternehmen Weber behauptet sich auf internationaler Ebene mit seinen Maschinen

Von Nadja Schäble, Wolfratshausen

Das Bedienfeld im Auto, die Scheinwerfer oder die Batterie - sie alle müssen verschraubt werden. Dafür stellt das Unternehmen Weber in Wolfratshausen Schraubautomaten her. Angefangen hat es in den 1950er-Jahren mit einer Anfrage der Firma Agfa, die damals mit der Kleinbildkamera "Click" in Produktion ging. Ob man die Verschraubung auf der Rückseite der Kamera automatisieren könne, damit nicht jedes Mal alle vier Schrauben von Hand eingedreht werden müssen, wollten die Verantwortlichen bei Agfa wissen. Nachdem die Familie Weber damals ein Unternehmen für Schraubenzuführung besaß, wurde an einer Lösung gearbeitet und schließlich Maschinen mit der Weber-Technologie entwickelt.

Daraufhin gründete sich 1956 die Weber Schraubautomaten GmbH in Icking, welche heute ihren Firmensitz in Wolfratshausen hat. Der Wunsch nach einer automatisierten Serienproduktion wurde bald auch in anderen Unternehmen laut. Und so kamen nach den Kameras die Tonbänder, dann Rechenschieber und schließlich die Automobilindustrie.

Für jedes Schraubenformat und Werkstück wird der passende Schraubautomat benötigt, das macht knapp 40 000 Variationen. Und so stellt Weber im Jahr mehr als 1000 Maschinen her. Die meisten kämen auf den deutschen Markt, aber es komme auch vor, dass plötzlich jemand aus Costa Rica anrufe, erzählt Marketingleiter Michael Steidl. Denn viele Kunden seien ebenso Unterlieferanten, die ihre Produkte, zum Beispiel Airbags, an größere Unternehmen wie BMW weiterverkaufen würden. Aber auch VW und BMW selbst sind Kunden des Unternehmens am Hans-Urmiller-Ring. Außerdem war Weber von Anfang an in den USA und in Frankreich vertreten. Weitere Niederlassungen gibt es in Brno in Tschechien und in Shanghai.

Während der Markt an Schraubautomaten wachse, sei Weber mit der automatischen Zuführung der "hidden champion", sagt Vertriebsleiter Dirk Winter. Denn mit den 300 Mitarbeitern in Wolfratshausen und den insgesamt 400 Leuten weltweit wären sie in dieser Größe international führend. 20 Jahre hatte das Unternehmen auf das Weber-Prinzip ein Patent, dieses ist schon lange ausgelaufen. Aber Unterschiede zu anderen Schraubsystemen lassen sich trotzdem noch heute finden.

Dirk Winter, Bereichsleiter Vertrieb. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Der einzelne Schraubautomat besteht aus vier Komponenten. Zunächst werden die Schrauben in die trichterförmige Zuführung gegeben. Diese bringt die Schrauben durch Vibration oder einen automatischen Schieber in die richtige Position, um sie einzeln durch den durchsichtigen Druckluftschlauch in die Spindel des Schraubautomaten zu schießen. Dort landet die Schraube im seitlichen Schwenkarm und wird dann in den Schraubkopf geblasen. So unterscheidet sich die Weber-Technologie von anderen. Denn der Schwenkarm reicht besonders weit in den Schrauber hinein.

"Je länger der Arm, desto weniger muss die Schraube um die Kurve", erklärt Dirk Winter. Durch diese Methode flattere die Schraube weniger und könne sich nicht umdrehen. Während bei den meisten Schraubautomaten die Schraube 60 Prozent länger sein muss als ihr Durchmesser, kann hier mit Schrauben gearbeitet werden, die nur 20 Prozent länger sind. Anschließend fügt sich der Bit auf die Schraube und dreht diese in das Werkstück ein. Der Bit sieht der Klinge eines gewöhnlichen Handschraubendrehers ähnlich, kann aber auch aus der Spindel herausfahren, wobei die Schraube mithilfe eines Vakuums am Bit gehalten wird. Um den Prozess zu überwachen, gibt es eine Ablauf- und eine Motorsteuerung.

Um die einzelnen Arbeitsschritte auszuführen, brauchte es in früheren Zeiten den Menschen. Doch im Zuge der technischen Serienproduktion und Automatisierung wird mittlerweile in vielen Unternehmen mit Leichtbaurobotern gearbeitet. Für diese hat Weber den passenden Schraubarm gebaut. Gerade bei sogenannten kollaborativen Lösungen, bei denen der Mensch mit dem Roboter zusammenarbeitet, musste unter anderem das Gewicht des Schraubautomaten reduziert werden, um die Sicherheit des Arbeitenden zu gewährleisten.

Laut Dirk Winter ist das Unternehmen in dieser Branche ein Trendsetter - und der Roboter nun "wie ein Kollege". Durch diesen neuen Kollegen werden Prozessüberwachung und Funktionsfähigkeit des Produkts verbessert, denn der Roboter müsse weder auf die Toilette, noch vergesse er beim "Quatschen" eine Schraube, betont der Vertriebsleiter. Überflüssig wird der Arbeiter dennoch nicht. Wie Michael Steidl ergänzt, werde der Mensch zwar von der "stupiden Arbeit" des Schraubendrehens erlöst, gleichzeitig bekäme er aber anspruchsvollere Aufgaben zugewiesen wie etwa die Vormontage.

Auch die Wolfratshauser Firma Weber selbst befindet sich in einer Phase der Automatisierung. In der Fertigungshalle stehen die alten, von Hand geführten Fräsmaschinen neben dem modernen Sechsachsfräszentrum. Dieses ersetzt drei bis vier herkömmliche Maschinen, und ein Fräsvorgang dauert nur noch 45 Minuten. Durch die automatische Beladung kann die Maschine sogar in der Nacht laufen, sodass am Morgen zehn fertige Spindelstücke bereit liegen.

In der Montagehalle werden die einzelnen Komponenten des Schraubautomaten schließlich "verheiratet", erklärt Dirk Winter. Hier hängt ein Banner: "60 Jahre Verbindung mit Zukunft." Das Familienunternehmen schaut nach vorne und sieht das nächste Ziel in der Installation eines Big-Data-Systems. Zwar laufen viele Maschinen auch ohne Wartung problemlos 30 bis 40 Jahre, aber durch die Einspeisung und Auswertung von Daten soll der Schraubautomat künftig selbst seine Wartung vorausschauend ankündigen - analog zur blinkenden Serviceleuchte beim Auto.

© SZ vom 19.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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