Streitthema Mobilfunk:"Ein Thema zwischen Macht und Ohnmacht"

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Der Mobilfunkmast an der Straßenmeisterei Wolfratshausen in der Äußeren Sauerlacher Straße. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Ein Informationsabend zum 5 G-Ausbau in Wolfratshausen zeigt, wie begrenzt die Möglichkeiten der Kommunen zur Einflussnahme sind

Von Konstantin Kaip, Wolfratshausen

Das Bedürfnis, mehr zum 5 G-Ausbau des Mobilfunknetzes zu erfahren, war in Wolfratshausen groß. Schließlich hatte die Bürgerinitiative (BI) zum Schutz vor Elektrosmog mehr als 450 Unterschriften gesammelt, die eine außerordentliche Bürgerversammlung zum Thema forderten. Zu der kam es aber aus rechtlichen Gründen nicht. Stattdessen hat die Stadt am Dienstag in der Loisachhalle einen Informationsabend zum Thema abgehalten. Knapp 50 Besucher ließen sich von vier Referenten über den technischen, politischen und rechtlichen Sachstand informieren und erfuhren einiges über mögliche Gefahren der Strahlung und die begrenzten Möglichkeiten der Kommunen, die Pläne der Betreiber zu lenken.

Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVW) erklärte zur Begrüßung, dass eine Bürgerversammlung nicht zulässig war, weil diese ausschließlich Gemeindeangelegenheiten betreffen dürfe. Und betonte, dass in Wolfratshausen derzeit keinerlei Anträge für einen für einen neuen Funkmast oder die Umrüstung eines bestehenden vorlägen. Dass zumindest im Netz der Telekom der neue Standard im Stadtgebiet bereits verfügbar ist, erklärte Thomas Gritsch vom Tüv Süd. Der Betreiber habe nämlich per Software-Update im August 2020 seine Masten auf eine Art "5 G light" umgerüstet. In seinem ausführlichen Referat über die technische Entwicklung betonte er auch, dass die Betreiber von der Bundesregierung verpflichtet wurden, mindestens 98 Prozent der Haushalte mit dem schnellen Netz zu versorgen und zeigte anhand einer Grafik, dass die Nachfrage nach schnellen Datenverbindungen exponentiell zugenommen hat.

Anwalt Jürgen Busse klärte dann über die Rechtsgrundlagen auf - "ein Thema zwischen Macht und Ohnmacht", wie der Starnberger Kreisrat und ehemalige Geschäftsführer des bayerischen Gemeindetags sagte. Die Grenzwerte für Strahlung regle schließlich der Gesetzgeber. Kommunen könnten allenfalls in sensiblen Bereichen, etwa bei Schulen, niedrigere Schwellen festlegen. Soll ein neuer Mast errichtet werden, könne die Gemeinde lediglich im Dialogverfahren einen Alternativstandort vorschlagen, den die Betreiber annehmen könnten oder nicht. Diesen in der vorgeschriebenen Frist zu finden, sei oftmals das größte Problem. Machtlos sei man aber bei sogenannten Nebenanlagen: Die kleinen, oft nicht sichtbaren Sender seien genehmigungsfrei, auch in Wohngebieten.

Dass Wolfratshausen schon lange bemüht ist, seine Möglichkeiten auszuschöpfen, erklärte Susanne Leonhard, zuständige Referatsleiterin der Stadtverwaltung: Bereits im Jahr 2000 habe der Stadtrat beschlossen, Funkmasten in Wohn- und Mischgebieten auszuschließen. Dies sei aber nur in Wohngebieten zulässig. Auch halte man am Beschluss, keine städtischen Gebäude und Grundstücke anzubieten, fest. Seit 2002 habe man versucht, den Funkmast bei der Straßenmeisterei an der Äußeren Sauerlacher Straße zu verhindern, nach zähem Verfahren sei dieser aber 2008 errichtet worden und werde nun von mehreren Betreibern genutzt - auch von O2, das einen Alternativvorschlag am Geltinger Feld abgelehnt habe. Einen Mast bei der Polizei habe die Stadt trotz Bemühungen nicht verhindern können.

Jörn Gutbier vom Verbraucherschutzverein "Diagnose: Funk" war von der BI als Referent bestimmt worden. Er nannte die geltenden Grenzwerte eine "Farce" und eine Vorsorge "überfällig". Die Forschungslage zur Gesundheitsgefahr von Mobilfunk sei "eindeutig", werde aber von einem "Lobby-Kartell" der Betreiber ignoriert. Kommunen könnten jedoch zum Schutz ihrer Bevölkerung einiges tun: etwa indem sie auf Wlan an Schulen und eigenen Gebäuden verzichten oder es zumindest maßvoll einsetzen. Zudem könnten sie Aufklärungsarbeit über die Gefahren leisten.

In einer Fragestunde brachten schließlich viele BI-Mitglieder und Anwohner der Funkanlagen ihre Sorgen zum Ausdruck. Patrick Lechner (FDP), Digitalisierungsreferent im Stadtrat, sprach aber auch von den Chancen des Netzausbaus für die Wirtschaft. Die größte Gefahr gehe erwiesenermaßen von den Endgeräten aus, sagte er - was Gritsch bestätigte. "Das Hauptrisiko ist das Handy, nicht der Mast." Die WHO habe das klar dargelegt. Die Geräte seien umso gefährlicher, je schlechter das Netz sei, weil sie dann ihre Leistung steigerten.

Hans Schmidt (Grüne), BI-Vorsitzender und Umweltreferent im Stadtrat, ärgerte sich, dass trotz Einladung kein Vertreter des Bundesamts für Strahlenschutz gekommen war. "Es kann nicht sein, dass staatliche Stellen keine Lust haben, sich der Auseinandersetzung zu stellen", sagte er. Bürgeranträge durfte es keine geben, dafür wird Schmidt im Stadtrat einen Antrag stellen. In den darin aufgeführten Forderungen soll unter anderem das Wlan in städtischen Einrichtungen durch strahlungsarme optische Datenübertragung ersetzt werden.

© SZ vom 30.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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