Sportstudio in Bad Tölz:"So was macht man nicht kaputt"

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Birgit und Charly Hirsch werden ihr Sportstudio künftig als "Sensofit" betreiben - das Konzept haben sie sich patentieren lassen. (Foto: Manfred Neubauer)

Bürgermeister Josef Janker und Inhaber Charly Hirsch weisen Gerüchte zurück, der Betrieb falle der Tölzer Hotelplanung zum Opfer. Er passe vielmehr gut ins städtische Tourismuskonzept

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Das Hotelprojekt an der Arzbacher Straße beschert Charly Hirsch unliebsame Déjà-vu-Erlebnisse. Immer wieder müssen er selbst oder einer seiner 38 Mitarbeiter den Kunden versichern, dass das Sportstudio Hirsch wegen des ins Stocken geratenen Bauvorhabens keineswegs zugemacht wird. "Es ist schon ein enormer Zeitaufwand, ständig diese Gespräche zu führen, die sich bei jedem Einzelnen wiederholen", sagt der Inhaber des Tölzer Sportstudios. Erscheint wieder ein Zeitungsartikel oder hat irgendwer am Stammtisch irgendwas zu dem neuen Hotel gesagt, befürchten die Klienten, die er hat, ein Aus für die Fitness-Einrichtung. Und jene die neu kämen, sagten ihm: "Was man so hört, gibt es euch nicht mehr lange, also schaue ich mich woanders um."

Bürgermeister Josef Janker (CSU) stellt denn auch mit Nachdruck klar, dass das Studio Hirsch bestehen bleibe - unabhängig davon, wie es mit dem Hotelprojekt weitergehe. Das Sportstudio sei wichtig für die touristische Entwicklung von Bad Tölz, sagt Janker. "So was macht man nicht kaputt."

Seit Anfang 1997 befindet sich Charly Hirsch mit seinem Fitness-Center neben dem Zentralparkhaus an der Bockschützstraße. Dort plant die Stadt nun ihr Wellnessbad "Natura Tölz", weshalb das Sportstudio an die Arzbacher Straße wenige hundert Meter weiter oben ziehen soll. Vorgesehen ist dort ein viergeschossiges Bauwerk, das neben dem neuen, circa 300 Betten umfassenden Hotel entstehen soll. "Der Standort ist ideal, sowohl für das Hotel als auch für uns", sagt Hirsch. Kurze Anfahrt für die Kunden, kurze Wege zum Stadtzentrum mit seinen Läden und Cafés, kurze Wege zum Joggen und Radeln an der Isar. In dem Neubau soll es über drei Etagen jedoch nicht bloß ein Fitness-Studio mit Gerätezirkeln und Monitoren geben. "Ein Investor hätte kein Interesse, das zu finanzieren", erklärt Hirsch. Deshalb hat er ein Konzept entwickelt, das neue Gäste ins geplante Hotel locken soll. Dabei gehe es um Gesundheitsvorsorge speziell für Firmen, die von Krankenkassen und vom Gesetzgeber gefördert werde, sagt er. Mehr möchte er nicht verraten, damit nicht Konkurrenten auf diesen Zug aufspringen.

Ob er das umsetzen kann, steht momentan in den Sternen. Die Stadt Bad Tölz hat die Verhandlungen mit der österreichischen Firma Arcus als Hotelinvestor vorerst gestoppt, auch wenn die notwendigen Bebauungspläne im städtischen Bauamt nach wie vor ausgearbeitet werden. Von der Lage der Parkplätze bis hin zur Anzahl der Zimmer - "die Weiterentwicklung der Planung trifft nicht das, was wir uns vorstellen", sagt Janker. Falls die Gespräche mit Arcus vollends platzen, sieht der Bürgermeister keinen Grund zur Panik. Nach seiner Überzeugung findet sich auf alle Fälle jemand, der ein Stadthotel in Tölz baut. "Ob der alte Investor oder ein neuer, das stellt sich heraus."

Ein dickes Fragezeichen steht hinter dem Hotelprojekt aber außerdem wegen des vom Stadtrat abgelehnten Bürgerbegehrens, das die Initiatoren nun vor dem Verwaltungsgericht München erstreiten wollen. Was das Spa anbelangt, so ist es für Janker selbst keine Frage, dass die Stadt das Wellnessbad errichten wird - selbst wenn kein Hotel kommen sollte. "Wir haben ja sonst nichts", sagt er. Im Stadtrat sehen das nicht alle so.

Die Pause in den Verhandlungen mit Arcus sieht Charly Hirsch mit gemischten Gefühlen. Zum einen äußert er sich gelassen: "Wenn da nichts weitergeht, machen wir eben weiter wie gehabt." Auf der anderen Seite fände er es schade um sein Gesundheitsvorsorge-Projekt fürs neue Hotel. Gingen Stadt und Arcus getrennte Wege, wäre es Hirsch zufolge schwierig, andere Investoren zu finden: "Sie kennen nicht die Vorgeschichte und wissen nicht, wie die Situation in Bad Tölz ist." Dies hätte negative Auswirkungen. Und wenn gar kein Hotel gebaut würde, hätte der Sportstudio-Inhaber seine Zweifel, ob das Spa alleine käme. Er verweist darauf, dass etliche Übernachtungsbetriebe in Tölz schon dichtgemacht haben. Wenn in nächster Zeit nichts entstehe, "sehe ich sowieso schwarz für den Tourismus", sagt Hirsch.

Im Jahresdurchschnitt hat das Sportstudio an der Bockschützstraße etwa 700 Kunden. Der Fitnesscenter-Betrieb ist in dem flachgestreckten Bau nicht alles. Auf dem zweiten Pfeiler steht "Gesundheitsvorsorge". Darunter fallen vor allem die Aktivwochen der Betriebskrankenkassen (BKK), die pro Jahr rund 1000 Gäste für jeweils eine Woche nach Tölz bringen. Hirsch hat nach eigenen Angaben immer wieder Mühe, alle Teilnehmer in den Hotels unterzubringen. Es fehlten schlicht Übernachtungsmöglichkeiten, sagt er. Da stimmt er mit seinen Erfahrungen ins Ceterum censeo von Kurdirektorin Brita Hohenreiter ein. "Wir können die Gäste zu gewissen Zeiten nicht unterbringen, du kriegst einfach keine Betten mehr", so Hirsch. Ein ähnliches Programm wie bei den BKK-Wochen würde er gerne selbst auflegen, nur fünf statt für sechs Tage. Aber das Risiko ist ihm zu hoch. "Damit sich das rechnet, brauche ich eine gewisse Anzahl an Teilnehmern, aber ich weiß nicht, ob ich die nötige Bettenzahl bekomme, damit ich diese Gästezahl erreichen kann."

Noch hat er keine Kunden wegen all der Ungewissheiten mit dem Hotelprojekt verloren. "Unsere richtige Konkurrenz ist die, die wir vor der Haustür haben", sagt er. Die Berge, die Seen, die Flüsse, die so viele Freizeitmöglichkeiten gewähren. Deshalb bietet er auch eine Menge Ausrüstung an: mehr als 50 Leihfahrräder, Skilanglauf-Equipment, Nordic-Walking-Stöcke, Polar-Pulsmesser. Ein Alleinstellungsmerkmal soll künftig aber "Sensofit" sein - ein Begriff, den er sich per Patent hat schützen lassen. Das Wort beschreibt ein mit allen Sinnen gesteuertes Training. "Man versucht, die eingeschlichenen Automatismen zu erkennen und sie wieder in natürliches Verhalten umzuwandeln", sagt Hirsch. Manche Leute meinten zum Beispiel, sie seien fürs Laufen ungeeignet, weil sie nach 100 Metern fix und fertig seien. Dabei sei der erste entscheidende Fehler, dass sie beim Starten sofort schneller liefen als beim Gehen. "Beim Gehen verlagert man nur das Gewicht, Laufen ist anstrengender, das sind kleine Sprünge." Auf solche Dinge sollen die neuen Trainingsmethoden aufmerksam machen. Und vor allem eines: Sie sollen den Spaß am Sport fördern, und nicht neuen Stress. "Sensofit" - diesen Namen will Hirsch künftig seinem Studio geben.

Mit Martin Litvan hat er auch schon seinen Nachfolger gewählt. Dies und die "hervorragende Zusammenarbeit mit unserer Tourist-Info" sind Janker zufolge die Gründe, weshalb sich die Kunden von Charly Hirsch keine Sorgen müssen: "Ob er drunten an der Bockschützstraße bleibt oder hochkommt zur Arzbacher Straße, sollte für sie unbedeutend sein."

© SZ vom 04.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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