Der Ruf nach bezahlbarem Wohnraum ist laut im Speckgürtel von München. Der Landkreis ist eine Zuzugsregion, die Preise sind hoch, die Grundstücke rar. Wohnraum ist nicht gleich Eigenheim, aber vor allem in ländlichen Gegenden stehen die eigenen vier Wände weit oben auf der Wunschliste. "Jeder Gemeinde geht es gleich", sagte Bürgermeister Werner Weindl (CSU) am Montag im Gemeinderat. "Bauland für einheimische Familien zu bekommen ist schwierig." In Lenggries stehen 20 Bewerber auf der Warteliste. Die Grundstückspreise sind extrem gestiegen: 600 bis 800 Euro pro Quadratmeter sind in der Gemeinde üblich, "aber es wurden auch schon 1000 Euro bezahlt", erklärte Bauamtsleiter Toni Bammer.
Beim letzten klassischen Einheimischenmodell, das die Gemeinde im Jahr 2002 an der Juifenstraße umsetzte, kostete der Quadratmeter noch 255 Euro. Einheimischenmodelle waren bis vor einigen Jahren üblich in Kommunen, um günstiges Bauland bevorzugt an Ortsansässige zu vergeben. Weil sie gegen die Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit verstießen, gerieten sie in den Fokus der EU. Zehn Jahre währte der juristische Streit, 2017 erließ der Europäische Gerichtshof neue Leitlinien, die Einheimischenmodelle europarechtlich weiterhin möglich machen.
Zu den Kriterien gehört eine Obergrenze, die bei einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 51 000 Euro liegt. Auch eine Vermögensobergrenze wurde festgelegt, zu der auch Immobilieneigentum gerechnet wird. Kommunen müssen diese Leitlinien einhalten, können darüber hinaus aber eigene Punktesysteme festlegen. Die Ortsansässigkeit kann dabei ein Kriterium sein, sie darf aber nur zu höchstens 50 Prozent in die Gesamtbewertung einfließen; zudem ist die Höchstpunktzahl laut EU-Vorgabe bereits bei einer Wohndauer von fünf Jahren erreicht. Weitere mögliche Kriterien sind die Anzahl der Kinder, pflegebedürftige Angehörige oder das Ausüben von Ehrenämtern in der Gemeinde. Um eine längerfristige Nutzung durch Einheimische zu erreichen, können Klauseln eingefügt werden, etwa die Festlegung eines Zeitraums, in dem das Haus vom Bauwerber selbst bewohnt werden muss.
In Lenggries soll die Verwaltung nun einen Kriterienkatalog erarbeiten, auch in Dietramszell wurde für diese Aufgabe kürzlich eine Arbeitsgruppe aus Gemeinderäten gebildet. Ob Einheimischenmodelle angesichts begrenzter Flächen aber Modelle für die Zukunft sind, beurteilte Weindl skeptisch. "Wir müssen uns sicher auch über andere Möglichkeiten unterhalten." Dazu zählte er eine stärkere Förderung generationenübergreifender Wohnformen. Es gebe Senioren mit Grundbesitz, die keine Angehörigen am Ort hätten. Weindl könnte sich vorstellen, dass das Zusammenleben mit einer junger Familie, "die zum Beispiel beim Schneeräumen hilft", von manchen älteren Menschen geschätzt würde. Im Gegenzug "könnte der Grundbesitz dann auf die Jungen übergehen".
Auch über mehr Geschosswohnungsbau oder die Vergabe von Erbbaurechten müsse man nachdenken, sagte Bauamtsleiter Bammer. Eine kurzfristig nutzbare Möglichkeit hätte die Gemeinde an der Wackersberger Straße: Ein Bebauungsplan, der auch Reihenhäuser oder Geschosswohnungen einschließt, liegt seit Jahren vor. Mit dem fertig gestellten Hochwasserschutz am Lahnerbach wäre eine Erschließung nun möglich.
In den vergangenen Jahren wurde in Lenggries viel gebaut: Seit den Achtzigerjahren wurden 14 Hektar Grund an Einheimische oder Gewerbetreibende vergeben, in den vergangenen 15 Jahren entstanden 640 neue Wohneinheiten. Auch 113 Sozialwohnungen gibt es in der Gemeinde, die damit an dritter Stelle im Landkreis rangiert, hinter Geretsried (532) und Wolfratshausen (360). Bernhard Simon (CSU) regte an, ältere Bebauungspläne dahingehend zu überprüfen, ob man durch Aufstocken und Verdichten neuen Wohnraum schaffen könnte. "Ohne zusätzliche Flächen zu verbrauchen."