Serie "Wirtschaftswunder":Lage, Lage, Lage

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Das Gasthaus Edeltraut am Walchensee macht sein Hauptgeschäft im Sommer, wenn Sonne und schimmernder See Touristen einladen, sich dort niederzulassen. Die Öttls führen den Familienbetrieb in dritter Generation

Von Cornelius Zange, Kochel am See

Das Gasthaus Edeltraut in Walchensee ist ein absoluter Hingucker. Hinter dem Haus der grüne Hang, vor ihm der blau-grüne Walchensee: So liegt das Wirtshaus malerisch in der Nähe des Ortseingangs. Zu essen gibt es hier typisch bayerische Gerichte von der Schweinshaxe bis zum Wildbraten. Die Spezialität des Hauses kommt direkt aus dem Wasser, das kaum zehn Meter von der Tür des Hauses entfernt endet: die Walchensee-Renke, die gebraten oder blau, also gekocht, serviert wird.

Ein Großteil des Walchenseer Dorf- und Vereinslebens spiele sich im Gasthaus Edeltraut ab, sagt Kellner Florian Probst, der seit 19 Jahren dort arbeitet. Bezeichnend dafür ist auch der Walchenseer Maibaum, der direkt vor der Wirtschaft steht. Im Saal finden vom Bauerntheater über den Faschingsball bis zu Vereinssitzungen und Hochzeiten regelmäßig verschiedene Veranstaltungen statt.

Im Jahr 2009 legte dort auch Michael "Bully" Herbig für die Fernsehsendung "Verstehen Sie Spaß" das ganze Dorf herein, indem er von seinen Plänen, in Walchensee einen Freizeitpark zu eröffnen, berichtete.

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(Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Wirtschaft, der Maibaum, der Walchensee - neben dieser einladenden Kulisse gibt es auch noch den Kulissennachbau des Wikingerdorfs "Flake".

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(Foto: Harry Wolfsbauer)

Der Saal im "Edeltraut" mit Bühne bietet Platz für viele Gelegenheiten.

Wer im Gasthaus Edeltraut isst, bekommt gleichzeitig einen kleinen Einblick in die Familiengeschichte der Familie Öttl: In der Gaststube hängt ein gewaltiges Hirschgeweih, "1927 von Georg Öttl gefunden", erklärt ein darunter angebrachtes Schild, daneben eine Auszeichnung der Hacker-Pschorr Brauerei für 50 Jahre Brauereivertrag von 1992. Nebenan, in der zweiten Gaststube, findet man zwischen zahlreichen Familienfotos ein Autogramm der ehemaligen Biathletin Magdalena Neuner, die zu Gast war und ein Portrait von Franz Josef Strauß auf einem Porzellanteller.

Inzwischen wird der Betrieb in der dritten Generation geführt. Georg Öttl übernahm ihn 2008 von seinem Vater, dessen Vater wiederum ihn 1936 gekauft und eröffnet hatte. Eines der Fotos an der Wand zeigt das Haus um 1909. Zweimal wurde seitdem angebaut. 1950 kam der Saal hinzu, der Platz für etwa 100 Gäste bietet, 1975 ein Wohnhaus mit Gästezimmern mit 30 Betten.

Die Gaststuben waren als erstes da. Dort finden etwa 50 Personen Platz, um in gemütlichem Ambiente beisammen zu sitzen. Von den Gardinen bis zur Blumendekoration auf dem Tisch fühlt man sich hier ein wenig in Omas Wohnzimmer zurückversetzt. Draußen auf der Terrasse lassen sich bei schönem Wetter die Sonne und der Ausblick auf den See genießen.

Noch weiter ausbauen will Georg Öttl das Gasthaus nicht. Er denkt gelegentlich eher in die andere Richtung: "Manchmal überlegt man schon, ob es nicht auch mit weniger funktionieren würde." Neue Auflagen machten ihnen die Arbeit manchmal unnötig schwer, sagt er.

Derzeit arbeiten im Betrieb acht Personen, darunter Georg Öttls Ehefrau und seine Tochter. Für Öttl war klar, dass er die Gastwirtschaft eines Tages übernehmen würde. "Natürlich fragt man sich manchmal, was wäre, wenn man etwas anderes machen würde", sagt er, doch eigentlich sei er sehr zufrieden. Das Gasthaus Edeltraut ist seit seiner Eröffnung ein Familienbetrieb. Laut Öttl ist die Familientradition das, was das Gasthaus auch heute noch auszeichne. Welche seiner beiden Töchter den Betrieb eines Tages übernehme, sei noch unklar, aber er ist optimistisch, dass er weiterhin in der Familie bleibt.

Eine Wirtschaft zu betreiben ist viel Arbeit. Sechs Tage die Woche hat das Gasthaus Edeltraut geöffnet. "Meine Frau ist hier morgens die Erste und ich bin der abends Letzte", sagt der 55-Jährige, der seit gut 40 Jahren als Koch arbeitet. Einen Sommerurlaub habe er in seinem ganzen Leben noch nie gemacht, erzählt er und lacht. "Der Sommerurlaub wird dann im November nachgeholt." Denn von November bis März hat die Wirtschaft - mit Ausnahme der Weihnachtsferien - geschlossen. Dann sperrt Öttl höchstens für Veranstaltungen von Vereinen auf und es gibt ausschließlich Getränke. Aus diesem Grund hat der Betrieb auch keine Auszubildenden. "Mit Pause im Winter geht das nicht", sagt Öttl.

Das Hauptgeschäft macht das Gasthaus im Sommer während der Touristensaison. Denn einladender kann ein Wirtshaus kaum ausstrahlen: "Die Lage direkt am See ist ein Riesenvorteil für uns."

© SZ vom 27.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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