Schwieriger Start:Nach der Wahl kam das Virus

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Nach seinem Wahlsieg musste sich Josef Hauser wegen einer Coronavirus-Infektion erst einmal in häusliche Quarantäne begeben. So ganz fit fühlt sich der neue Dietramszeller Bürgermeister momentan noch nicht. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Josef Hauser, neuer Bürgermeister von Dietramszell, erholt sich langsam von seiner Corona-Infektion. Auf seiner Agenda stehen das Thema Wohnen im Alter und die Energiewende ganz oben. Die Dorferneuerung will er teilweise auf den Prüfstand stellen

Von Petra Schneider, Dietramszell

Die Feier seines Wahlsiegs musste Josef Hauser bisher verschieben. Denn drei Tage, nachdem der 53-Jährige mit 56,6 Prozent gegen Ludwig Gröbmaier (CSU) und Fabian von Xylander (SPD/Grüne/Parteifreie) zum Bürgermeister von Dietramszell gewählt wurde, bekam er Fieber, Kopfschmerzen und Schüttelfrost. Die Symptome ließen ihn sofort an Corona denken, vor allem, weil in seiner Dienststelle in Miesbach ein Fall aufgetreten war. Hauser begab sich in häusliche Quarantäne und ließ sich testen. Das Ergebnis kam fünf Tage später: Er hatte sich infiziert.

Zunächst sei die Corona-Infektion unproblematisch gelaufen, erzählt er. Aber dann kamen Schwindel und Kreislaufprobleme hinzu. Die Quarantäne endete am 1. April. Aber ganz fit fühle er sich immer noch nicht, sagt der schlanke Zwei-Meter-Mann, der normalerweise gerne in die Berge geht und Radtouren macht. Seine Frau, die drei Kinder und seine Schwiegermutter, die seit dreieinhalb Jahren mit im Haus lebt, haben nichts abbekommen; Hauser zog ins Gästezimmer und trug Mundschutz. Eine Infektion wäre für die 73-Jährige, die nach mehreren Schlaganfällen pflegebedürftig ist, womöglich lebensbedrohlich geworden.

Vielleicht ist es diese persönliche Lebenssituation, die das Thema Wohnen im Alter ganz nach vorne auf die Prioritätenliste des künftigen Bürgermeisters gerückt hat. Bezahlbare, kommunale Mietwohnungen für Senioren - das hatte Hauser im Wahlkampf als eines seiner vorrangigen Ziele genannt. Wenn man selbst mehr als 50 Jahre alt sei und sich um pflegebedürftige Eltern kümmern müsse, dann gewinne das Thema an Bedeutung, sagt er.

Hauser, der in Ascholding lebt, seit er drei Jahre alt ist, gehört nicht zu jenen, die ihr Herz auf der Zunge tragen. Es habe ihn "richtig gefreut", dass er so klar und auf Anhieb gewonnen habe, sagt er in sachlichem Ton. Die Entscheidung, als Bürgermeisterkandidat der Freien Wähler anzutreten, habe er im vergangenen Sommer nach einigen schlaflosen Nächten getroffen. Seit 29 Jahren ist Hauser nun schon Polizist, er hat eine Weiterbildung zum Diplomverwaltungsfachwirt gemacht und ist seit neun Jahren Kriminalhauptkommissar in Miesbach im Bereich Brandstiftung, Sexual- und Tötungsdelikte. Die Entscheidung, zur Polizei zu gehen, sei "die beste meines Lebens gewesen", sagt Hauser, der zuerst Koch gelernt hat. Denn der Zusammenhalt bei der Polizei sei groß, und man erlebe Dinge, "die man normalerweise nicht erlebt." Oft schlimme Sachen, wie den Raubmord in Höfen, "aber das schweißt zusammen". Aufzuhören falle ihm nicht leicht, gleichwohl freue er sich auf seine neue Aufgabe.

Hauser weiß, was ihn erwartet. Er ist seit zwölf Jahren im Gemeinderat, seit sechs Jahren Dritter Bürgermeister. Mit seiner kommunalpolitischen Erfahrung habe er bei den Wählern punkten können, glaubt er, und die Dietramszeller wüssten, "wie ich ticke." Die Sitzungen im Rathaus hat Hauser nicht selten aus dem Takt gebracht; er hat attackiert, kritisiert, diskutiert. "Man kann sich in den Gemeinderat rein setzen, den Vortrag anhören und dann abstimmen." Seine Sache sei das aber nicht, und so habe er sein Amt auch nie gesehen. "Mir geht es immer um die Gemeinde", betont er. Um seine Gemeinde, die ein lebendiges Dorf bleiben solle, und keine Schlafstadt von München. Die oft langwierigen Diskussionen im Gemeinderat führt er auf mangelnde Information und Transparenz zurück, was ein "latentes Misstrauen" zur Folge habe.

Eine Kritik an seiner Vorgängerin Leni Gröbmaier (BLD) - die einzige, die er im Gespräch äußert. Er wolle nicht "nachtreten" und habe auch im Wahlkampf auf Attacken verzichtet. "Die Leni und ich, wir wären nie die besten Freunde, aber ich habe persönlich nichts gegen sie", sagt Hauser versöhnlich. Dietramszell stehe nach zwölf Jahren Gröbmaier finanziell "nicht schlecht da", und die Bürgermeisterin habe sich "mit vollem Einsatz" für die Gemeinde engagiert. Man sei nicht immer einer Meinung gewesen, aber Demokratie lebe schließlich von Diskussion. Streitpunkte gab es einige: Das Gewerbegebiet in Ascholding, der Standort des dortigen Kindergartenneubaus, die Pflege-WG am Kreuzfeld. Oder die Dorferneuerung, die Hauser teilweise wieder auf den Prüfstand stellen will. Klostervorplatz und Sanierung der Staatsstraße Richtung Schönegg samt Gehweg, da sei er dabei.

Unsinnig findet er dagegen eine Pflasterung der Zufahrt zum Rathaus und eine Umstrukturierung der Parkharfe, die für Gelenkbusse ausgelegt werde, "die nie kommen"; denn die Schülerzahlen an der Mittelschule sinken, und man müsse dafür kämpfen, Dietramszell als Mittelschulstandort überhaupt zu halten. Auch einen Brunnen am entstehenden Dorfplatz gegenüber der Klosterschänke hält der künftige Bürgermeister für zu teuer und "moralisch fragwürdig", weil bei einem Trinkbrunnen wertvolles Wasser im Boden versickere. Er will den Dorfplatz zwar gestalten, aber "möglichst naturnah" mit großem Baum, Bänken und Blühstreifen.

Dagegen stellt Hauser, der Mitglied im historischen Arbeitskreis ist, den geplanten Geschichtspfad auf der Angerwiese nicht infrage, der vor allem für die junge Generation wichtig sei. "Da ist das Geld besser investiert als in einen Brunnen", meint er. Auch das Thema Energiewende steht auf seiner Agenda. So könnte er sich den Bau einer Wasserstofftankstelle als interkommunales Vorreiterprojekt vorstellen. Denn der Individualverkehr lasse sich in einer Flächengemeinde wie Dietramszell auch mit dem besten ÖPNV nicht wegbringen. "Aber wir müssen ihn umweltfreundlicher machen." Ideen für eine Nachnutzung des Ascholdinger Hallenbads will er bei einer Klausur im Herbst sammeln, dabei soll sich der Gemeinderat, dem elf neue Mitglieder angehören, auch besser kennenlernen. Wichtig seien ihm Beständigkeit und ein gutes Klima in der Verwaltung, sagt Hauser, der auch selbstkritische Töne anschlägt. Er sei "ab und zu ein bisschen impulsiv" und "kein Diplomat". Aber man könne sich auf sein Wort verlassen.

Seine Frau Violeta und die Kinder - 17, 15 und 14 Jahre alt - stünden jedenfalls hinter dem "Projekt Bürgermeister", erzählt Hauser. Nach der Wahl habe sein Sohn Christopher gesagt: "Papa, des muasst gscheid machen, sonst wählen dich die Leute nimmer."

© SZ vom 20.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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