Schultheater:Aus Spiel wird Ernst und umgekehrt

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Die Theatergruppe des Ickinger Rainer-Maria-Rilke-Gymnasiums bringt "Die Welle" von Reinhold Tritt nach dem Roman von Morton Rhue auf die Bühne und verblüfft mit kreativer Ausdrucksfähigkeit

Von Christa Gebhardt, Icking

"Wir haben unglaublich viel gelernt, mehr als im Unterricht!" Da sind sich die Schülerinnen der 7. Klassen des Rainer-Maria-Rilke-Gymnasiums einig. Einige der Hauptdarstellerinnen des Theaterstücks "Die Welle" von Reinhold Tritt sprechen für sich und all die anderen der Theatergruppe der Unterstufe, die sich in nur wenigen Wochen ein schwieriges Drama erarbeitet haben.

Ella (Cäcilia Überla), Kevin (Julia Doktor) und Jule (Elisabeth Korseka) haben mit ihren Klassenkameraden unter der Leitung von Caroline Reigl "Die Welle" auf die Schulbühne gebracht. Das Stück basiert auf einem Roman aus dem Jahr 1981 von Morton Rhue, der Ereignisse an einer Highschool in einer amerikanischen Kleinstadt beschrieb. "Die Welle. Bericht über einen Unterrichtsversuch, der zu weit ging", so der Titel des Werkes, wurde auch verfilmt und ist mittlerweile weit verbreitete Schullektüre.

Kern des Stücks ist das Experiment, das ein Lehrer mit seiner Klasse durchführte, und es ist im Lauf der Geschichte bis heute auf der ganzen Welt schrecklich aktuell. Auslöser ist das Unverständnis junger Schüler, die nicht glauben wollen, dass so viele Menschen blind einem Führer folgen. "Nazis? Gleichschaltung? Verfolgung Andersdenkender?" So etwas sei heute nicht mehr möglich, meinen sie. Um zu demonstrieren, welche Macht eine Gruppe entwickeln kann, beginnt der Lehrer - im Schultheater ist es die Klassenlehrerin Bella Ross ( Marlene Geigl) -, das Experiment mit der Gründung einer Organisation namens "Die Welle". Was als harmlose Demonstration beginnt, läuft schnell aus dem Ruder: Die straff geführte Organisation entwickelt ein brisantes Eigenleben.

Im Sog der Macht: Das Theaterstück der Ickinger Schüler. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Ickinger Schüler und Schülerinnen, die sich des Stücks angenommen haben, sind 12 bis 13 Jahre alt. Sie spielen mit großem Engagement und sehr locker mit aktuellen Bezügen auf ihr altersgemäßes Erleben, wie Schritt für Schritt eine gefährliche Massenbewegung entsteht, die auch vor Ausgrenzung und Gewalt nicht zurückschreckt. Die Leiterin der Theatergruppe Caroline Reigl hat das Stück ganz bewusst so ausgearbeitet, dass es für die Jugendlichen passt. Sie hat Rollen dazu geschrieben, damit möglichst viele mitspielen können und kompliziertes Hintergrundwissen auf wenige markante Bilder reduziert. Machtergreifung, Verfolgung der Juden und die Errichtung von Konzentrationslagern werden als Einspieler auf einer großen Leinwand gezeigt.

Auch wenn der deutsche Nationalsozialismus ursprünglich der auslösende Funke für den Roman "Die Welle" war, zeigt die Theatergruppe, wie sich faschistisches Denken und Handeln direkt und sehr individuell in den Beziehungen unter jungen Menschen zeigt. Die Figuren des Stücks stehen für Typen, und die jungen Schauspieler machen das wirklich gut: Ella, die Redakteurin der Schülerzeitung erfährt, was Zensur bedeutet und entwickelt ihren kritischen Geist. Ihr Freund Luc (Daniel Tonnar), eigentlich ein unbekümmerter Optimist, überträgt die Organisationsstruktur auf seine erfolglosen Fußballfreunde und lernt, dass man sich entscheiden muss. Kevin, der zuvor aus der Gruppe ausgegrenzt wurde, wird zum glühenden Verehrer des "Führers" und steigt auf in der Hierarchie. Jule und Leon (Kristina Krenn) geraten als Mitläufer zwischen die Fronten.

Ickinger Schüler zeigen, wie intensiv Individuen zu einer gleichförmigen Masse werden. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die drei Prinzipien der "Welle" - Macht durch Disziplin, Gemeinschaft und Handeln - funktionieren, bis das Experiment durch den "Führer" respektive die Lehrerin aufgelöst wird und, selbst erschrocken und gleichermaßen berauscht von der Macht, das Spiel aufklärt. Das alles geschieht im Alltag, nämlich im Klassenraum der Schule, dargestellt im Bühnenbild. Die allmähliche Gleichschaltung im Handeln und Denken zeigen die Kostüme und die Musik: Die Jugendlichen tragen schließlich statt ihrer individuellen Kleidung schwarze Uniformen und Masken. Hip Hop und Rap mit der typischen stereotypen Choreografie machen aus Einzelnen eine gleichförmige Masse.

Nicht wenige Eltern waren verblüfft darüber, wie schnell und begeistert ihre Kinder lange Texte auswendig gelernt haben und etliche Kollegen, so die Lehrerin Caroline Reigl, waren erstaunt über die kreativen Ausdrucksfähigkeiten der Jugendlichen auf der Bühne , die sie so im Unterricht noch nicht erlebt hätten. Viel gelernt eben, wie "Kevin" sagte, und schön, wenn Schule immer so sein könnte. Großer Applaus für eine tolle Leistung!

© SZ vom 23.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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