Scheckübergabe:Geschichte lebendig werden lassen

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Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz bezuschusst die Sanierung des historischen Schusterhauses in Kochel am See mit 50 000 Euro. Im Jahr 2020 soll das Haus als Museum und Veranstaltungsort eröffnet werden

Von Alexandra Vecchiato, Kochel am See

Es ist ein Bilderbuch- Wintertag in Kochel am See. Von der Wärme der Sonnenstrahlen ist im alten Schusterhaus allerdings nichts zu spüren. Eisig ist es in dem historischen Gemäuer an der Bahnhofstraße 12. Davon lassen sich Axel Hofstadt und Kurt Baiker nicht abschrecken, sind sie doch eigens aus München gekommen, um einen Scheck zu überreichen. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz unterstützt den Verein für Heimatgeschichte im Zweiseenland Kochel mit 50 000 Euro. Das Geld fließt in die Dachsanierung des sogenannten Schusterhauses. Der Um- und Ausbau wird auf insgesamt 600 000 Euro geschätzt. In dem Gebäude soll ein Museum entstehen samt kleinem Café und Raum für Veranstaltungen sowie Ausstellungen.

Die alte Schusterwerkstatt ist nahezu komplett erhalten und soll museal präsentiert werden. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Förderung durch die Stiftung sei ein weiterer wichtiger Baustein, betont Vereinsvorsitzender Max Leutenbauer beim Rundgang durch das Schusterhaus. Gemeinsam mit dem Kochler Architekten Michael Holzer führt er die Gäste aus der Landeshauptstadt durch das Denkmal. Dabei wäre beinahe alles schief gegangen. Man sei schon ziemlich knapp dran gewesen, den Förderantrag an die Stiftung wegzuschicken, erzählt der Vorsitzende des Vereins für Heimatgeschichte. Über Paketverfolgung ließ sich Leutenbauer über den Verbleib der Unterlagen informieren. "Das waren zwei dicke Packen", sagt er. Nach Bonn sollte es gehen, plötzlich sei das Paket wieder nach Stuttgart zurückgeschickt worden: "Empfänger unbekannt verzogen." Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz hatte ihren Hauptsitz von Bonn nach Berlin verlegt.

Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz unterstützt den Verein für Heimatgeschichte im Zweiseenland Kochel nun mit 50.000 Euro. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Geklappt hat es dann doch noch mit dem Zuschuss. Vieles ist zu tun in und am Schusterhaus. Die Ausstattung der Schusterei ist vollständig erhalten und soll museal präsentiert werden. Man wolle in dem Objekt Geschichte lebendig werden lassen, erzählt Architekt Holzer. Ehrenamtlich hat er die Sanierung des denkmalgeschützten Hauses übernommen. Überhaupt ist viel Eigenleistung des 70 Mitglieder zählenden Vereins im Spiel.

Als die Gemeinde Kochel am See 2014 das Anwesen erwarb, habe es nicht nur Zustimmung gegeben, sagt Bürgermeister Thomas Holz (CSU). Dass sich die Gemeinde ein neues Museum ans Bein bindet, sei durchaus kritisch gesehen worden. Es habe daher einige Jahre gedauert, bis das Anwesen erworben werden konnte. Der Kauf sei zudem nur möglich gewesen, weil die Nichte und Erbin des letzten Eigentümers daran interessiert gewesen sei, das historische Gebäude in seiner Art zu erhalten. "Auf dem freien Markt hätte sie einen höheren Preis erzielen können", betont Holz. Über die Höhe der Kaufsumme schweigt er sich aus. Das habe man mit der Erbin so vereinbart.

Als die Gemeinde Kochel am See das Anwesen 2014 erwarb hatte es nicht nur Zustimmung gegeben. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Nach dem Erwerb mussten die Vereinsmitglieder sich erst einmal durch Staub und Müll kämpfen. Viele Papiere wurden gesichtet. Alles sei aufgehoben worden, erzählt Leutenbauer. Das habe nicht nur Arbeit gemacht, sondern den Hobbyhistorikern so manch interessanten Fund beschert: etwa die Rechnung, die belegt, dass 1915 Strom ins Haus gelegt wurde.

Mehr als dreieinhalb Jahrhunderte lang haben Schuster in dem Anwesen ihr Handwerk ausgeübt. Am Anfang der Geschichte steht der Reiserhof in Kochel. 1575 starb der Bauer Wolfgang Reiser. Er hinterließ drei Söhne. Der Älteste übernahm das elterliche Anwesen. Sein Bruder Kaspar konnte einen anderen Hof auftun. Blieb noch der dritte Sohn Andreas. Er wurde im Kloster Benediktbeuern bei den Mönchen vorstellig und gelangte so an ein Grundstück, auf dem er ein Haus baute. 1581 zog er ein. Aus dieser Zeit stammen die Erdgeschoss-Mauern. 200 Jahre später wurde das Obergeschoss erneuert. Dendrochronologische Untersuchungen datieren das verwendete Holz auf 1782. Vier Schuster aus dem Reiser-Clan arbeiteten in dem Haus. Ihnen folgten fünf Schuster mit Nachnamen Schöfmann. Der letzte aus dieser Familie war Josef Schöfmann, der mit seiner Schwester in dem Haus an der Bahnhofstraße wohnte und 2010 starb. Bürgermeister Holz kann sich noch gut an ihn erinnern. Der "Schuster-Sepp" sei ein angesehener Mann im Ort gewesen. Von einem der Fenster seiner Werkstatt aus reichten ihm seine Kunden Schuhe zur Reparatur. "Und so hat man sie auch wieder bekommen. Durch das Fenster." Schöfmanns Standardspruch lautete: "Des wird teuer." Bezahlt haben man dann meist drei, vier Euro. "Aber handwerklich waren die Schuhe einwandfrei repariert", so Holz.

Axel Hofstadt und Kurt Baiker von der Stiftung Denkmalschutz informierten sich bei einem Rundgang. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Besonderheit des Schusterhauses liegt im Charme, ein Museum am ursprünglichen Ort schaffen zu können. Anders als im nahe gelegenen Freilichtmuseum Glentleiten muss das Denkmal nicht erst ab- und dann wieder aufgebaut werden. Bewusst wolle man im Bereich der Werkstatt und der Schlafgemächer im Obergeschoss nur das Nötigste herrichten, sagt Holzer. "Dieser Teil soll so erhalten bleiben, wie die Menschen darin gelebt haben . . . bis in die Jetztzeit." Stall und Tenne sollen umgebaut werden. Im Erdgeschoss sind ein Vereinslokal, eine Küche und ähnliches vorgesehen. Darüber wird in die Tenne eine "Zelle in Trockenbauweise" eingestellt. In diesem Raum möchte der Verein für Heimatgeschichte eigene Ausstellungen präsentieren. Er könne aber auch an Künstler vermietet werden, sagt Leutenbauer. Im Jahr 2020 soll das Projekt abgeschlossen sein.

Als ihn die Nachricht über die Förderzusage erreicht habe, sei er gerade auf Exkursion in Donauwörth gewesen, berichtet Leutenbauer beim Rundgang. Seine Freude darob sei so groß gewesen, dass er "zu viel Wein" an jenem Tag erwischt habe. Auf Nachfrage von Axel Hofstadt, Leiter des Ortskuratoriums München der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, ob schon ein Nachfolgeantrag gestellt wurde, bejahte der Vereinsvorsitzende. Er hoffe, dass Mitte des Jahres erneut gute Nachricht Kochel erreichen werden.

Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz finanziert die Renovierung und Sanierung von Denkmalen in der Bundesrepublik über private Spenden. "Wir kümmern uns sehr gerne um kleine Objekte", sagt Hofstadt. Unterstützt wird die Stiftung in ihren Bemühungen von der Lotterie Glücksspirale. 15,7 Millionen Euro hat diese im vergangenen Jahr zur Verfügung gestellt. Drei Millionen davon seien Projekten in Bayern zugute gekommen, betont Beatrix Numberger von Lotto Bayern.

Derweil hat die Gruppe ihren Rundgang im ehemaligen Garten hinterm Haus beendet. Dort könnte ein "kleiner Außenbereich" für das Café entstehen. "Da müssen wir unbedingt wiederkommen", sagt Numberger und wärmt sich in der Sonne auf.

© SZ vom 18.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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