Rückstände bezahlt:"Gut im Laufen"

Lesezeit: 2 min

Martin Lechner führt seit 16 Jahren den Lebenshilfe-Verein. (Foto: Manfred Neubauer)

Lebenshilfe Bad Tölz-Wolfratshausen zieht Jahresbilanz

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Die Lebenshilfe Bad Tölz-Wolfratshausen ist eine große Sorge los. Vor einem Jahr hatte sie Alarm geschlagen, weil die Regierung von Oberbayern saumselig mit der Erstattung von Kosten für die Von-Rothmund-Schule in Bad Tölz war. Sachaufwand, Personal, Fahrten: Mit solchen Ausgaben muss die gemeinnützige Einrichtung für Menschen mit Behinderungen als privater Träger in Vorleistung gehen, bekam das Geld jedoch oft über mehrere Jahre hinweg nicht zurückgezahlt. Das hat sich nach Gesprächen mit Regierungspräsidentin Maria Els geändert. "Einige Rückstände sind bezahlt", zeigte sich Franz Gulder, Geschäftsführer der Lebenshilfe gGmbH, bei der Jahresbilanz am Mittwoch erleichtert. Die noch ausstehenden Beträge sollen bis Jahresende beglichen sein.

Wenn sich offene Rechnungen über Jahre anhäuften, bekomme man ein ernstes Problem mit der Liquidität, so Gulder. Dies erkannte Regierungspräsidentin Els ebenso wie Landrat Josef Niedermaier (FW), der sich für die Lebenshilfe einsetzte. Beiden gilt der Dank des Geschäftsführers. Der Landkreis werde überdies von 2020 an die Kosten für den laufenden Schulbetrieb "in angemessenem Umfang" übernehmen. Was das Adjektiv "angemessen" bedeutet, muss noch verhandelt werden, sagt er. Seit die leidige Sache mit den Rückständen geklärt ist, "sind wir wieder gut im Laufen", sagt Martin Lechner, Vorsitzender des Lebenshilfe-Vereins, der für die gemeinnützige GmbH der Richtungsweiser ist.

Noch nicht ganz abgeschlossen ist das Bauprojekt an der Schützenstraße in Tölz. Das Haus schräg gegenüber der Asklepios-Klinik wurde modernisiert und bietet nun Einzelappartements für neun betreute Klienten, dazu eine Seniorentagesstätte. Leer sind noch die Räume im Erdgeschoss, die früher eine Pizzeria beherbergten. Dort soll die Regionale Offene Behindertenarbeit (ROB) einziehen. Der Innenausbau soll Gulder zufolge im Winter beginnen. Das sei dann preisgünstiger, sagt er. "Außerdem bekommt man leichter Handwerker", ergänzt Bernd Angermann, zweiter Vorsitzender des Lebenshilfe-Vereins.

Schwieriger dürfte die Sanierung der Heilpädagogischen Tagesstätte an der Bairawieser Straße in Tölz werden. In dem ehemaligen Prinzregent-Luitpold-Genesungsheim muss der gesamte Brandschutz erneuert werden. Das dürfte für die Lebenshilfe arg kostspielig werden. "Es ist zu befürchten, dass es zu einem wirtschaftlichen Totalschaden kommt", so Gulder. Das dritte Vorhaben ist der Ausbau des Wohnheims an der Bairawieser Straße für ältere Behinderte um 16 Plätze. Dazu werde man Mittel für den sozialen Wohnungsbau beantragen, sagte Gulder.

Dies hängt mit dem neuen Behinderten-Teilhabegesetz (BTHG) zusammen, das 2020 in Kraft tritt. Künftig werden Sach- und Fachleistungen getrennt. Das heißt: Die behinderten Menschen bekommen eine Grundsicherung, die an Hartz IV angepasst ist, und können Sachleistungen wie Wohnung und Verpflegung selbst wählen; zudem haben sie auch die Möglichkeit, sich einen anderen Anbieter für die Betreuung zu suchen. Für die Klienten der Lebenshilfe - mehrfach schwerstbehinderte und geistig behinderte Menschen - dürfte dies eher eine theoretische Möglichkeit sein. "Ich denke nicht, dass es im ersten Zug große Veränderungen gibt", sagt Gulder. Und auch dann dürfte es sich eher um Einzelfälle handeln. Die meisten Betreuten der Lebenshilfe seien gar nicht geschäftsfähig, gab Angermann zu bedenken.

Eine Inklusion um jeden Preis lehnen die beiden Vorsitzenden der Lebenshilfe ab. Die Recht auf Selbstbestimmung sei für behinderte Menschen wichtig, so Lechner. Ebenso aber das Recht auf Schutz. Beides gehöre zusammen. Er habe große Bedenken, wenn der Bundesverband Lebenshilfe zu einer Art Behindertenbürgerrechtsbewegung werde und diesen Aspekt überbetone. "Für uns ist die Inklusion kein Menschenrecht, sondern nur ein Weg, um die Menschenrechte zu sichern, die in der Menschenrechtscharta festgelegt sind", sagt Lechner.

© SZ vom 11.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: