Rückblick Wolfratshausen:Sprungprozession

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In der Loisachstadt ist 2019 einiges angeschoben worden. Insbesondere außerordentliches Bürgerengagement bringt vieles in Bewegung. Ein Mahnmal des Stillstands bleibt indes das halb abgerissene Isar-Kaufhaus

Von Konstantin Kaip, Wolfratshausen

Das Jahr 2019 hat in Wolfratshausen ein Symbol: die Ruine des ehemaligen Isar-Kaufhauses. Nach Jahren des Leerstands hatten die Bauarbeiter im Auftrag der Investoren, die an seiner Stelle einen Neubau errichten wollen, Ende April mit dem Abriss begonnen und Hoffnung auf eine Wiederbelebung der Altstadt gemacht. Wenige Wochen später mussten die Bagger wieder abrücken. Streitigkeiten mit den Eigentümern des Nachbarhauses lassen es seitdem nicht zu, den Abbruch zu vollenden. Auch gegen den geplanten Neubau sind drei Klagen von Nachbarn vor Gericht anhängig. Das einstige Kaufhaus, das mit offener Flanke, fehlendem Dach und bröckelnden Mauern an ein Krisengebiet erinnert, steht nun schon seit einem halben Jahr da wie ein Mahnmal. Das ist schmerzend für die schöne Loisachstadt, die ja einst gerne höhnisch als "Stillstandshausen" bezeichnet wurde.

Gerecht wird dieses Symbol dem vergangenen Jahr indes nicht. Schließlich ist in Wolfratshausen 2019 auch einiges vorangegangen und so manches vollendet worden. So hat die städtische Wohnungsbau- und Verwaltungsgesellschaft (Stäwo) an der Sudetenstraße in Waldram ihr bislang größtes Projekt realisiert. Die Zwillingsgebäude auf der einstigen Coop-Wiese beherbergen 52 geförderte Wohnungen, die bereits bezogen wurden. Die Maro-Genossenschaft hat den Bauantrag für ihr Mehrgenerationenhaus mit Sanierung des Alten Krankenhauses an der Sauerlacher Straße gestellt, der - bei einer von der CSU angestrengten Ehrenrunde im Stadtrat - samt 3,50 Meter hoher Schallschutzmauer im Dezember mehrheitlich befürwortet wurde. Auch die geräumige, sechsgruppige städtische Kindertagesstätte an der Ludwig-Thoma-Straße ist seit September in Betrieb. Zum Lebenswert der Stadt gehört es, dass jedes Kind einen Betreuungsplatz bekommt. Wolfratshausen ist diesbezüglich im Vergleich zu manch anderer Kommune ein Vorbild, was dem Einsatz von Stadtrat, Verwaltung und dem Kinder- und Jugendförderverein zu verdanken ist.

So etwas wie Aufbruchstimmung herrschte zu Jahresbeginn beim Bürgerbeteiligungsprozess zur Aufwertung der Altstadt. Immerhin 150 Wolfratshauser nahmen an der Veranstaltungsreihe teil, in der einzelne Vertreter in Gruppen einen Fahrplan für die Umgestaltung der Marktstraße festlegten. Der fließt nun in die Entwürfe eines Planungsbüros ein, über die der Stadtrat dann im Frühjahr nach der Kommunalwahl entscheiden soll. Auch für den Untermarkt 10 hat man endlich eine Lösung gefunden: Die Stäwo saniert das marode städtische Gebäude, um dort unter anderem eine Tourist-Info und ein neu konzipiertes Heimatmuseum unterzubringen. Die Arbeiten sollen Anfang 2020 beginnen.

Mit der Eröffnung der neuen Kita an der Ludwig-Thoma-Straße ist ein großer Schritt getan. (Foto: Hartmut Pöstges)

Auch politisch lässt sich mit Blick auf das Jahr schwerlich von Stillstand sprechen. Zum amtierenden Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVW) haben sich angesichts der bevorstehenden Kommunalwahlen immer mehr Konkurrenten gesellt, auch aus den eigenen Reihen. Im September ließ Heilinglechners Vorgänger im Amt und politischer Ziehvater Helmut Forster eine kommunalpolitische Bombe platzen und verkündete seine Trennung von der Bürgervereinigung, die er selbst mitbegründet hatte - wegen "unüberbrückbarer Differenzen" mit Heilinglechner, wie er sagte. Mit den Stadträten Manfred Fleischer und Richard Kugler, von denen sich die CSU entzweit hatte, gründete er die Wolfratshauser Liste, die nun mit Kugler den fünften Bürgermeisterkandidaten für 2020 stellt. Auch die FDP ist aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht und stellt eine eigene Liste für die Stadtratswahl.

Es sind also spannende Zeiten in Wolfratshausen, auch für die engagierten Bürger dieser Stadt. Dass es davon viele gibt, hat sich zum Ende des Jahres noch einmal deutlich gezeigt: Als der Stadtrat mehrheitlich dagegen entschied, die durch die geringer ausgefallene Förderzusage entstandene Kostenlücke für die Surfwelle zu schließen und das Projekt damit faktisch beerdigte, kam es zu einer bemerkenswerten Welle der Solidarität in der Stadt. Innerhalb weniger Tage sagten zahlreiche Bürger und Firmen Spenden zu, um das ambitionierte Wassersportprojekt doch noch zu retten. Bis zum Jahreswechsel war es so möglich, dass sie tatsächlich die fehlenden 63 000 Euro zusammenbrachten. Sollte die Welle in Weidach doch noch gebaut werden können, würde 2019 auch als ein Jahr des ehrenamtlichen Engagements in Erinnerung bleiben.

Das neue Jahr wird in der Loisachstadt aller Voraussicht nach erst einmal ganz im Zeichen des Wahlkampfs stehen. Zuvor aber muss der bestehende Wolfratshauser Stadtrat noch wichtige und zukunftsweisende Entscheidungen treffen: Im Januar 2020 etwa steht eine Sitzung zur Schulentwicklung am Hammerschmiedweg an - dem teuersten und wichtigsten Projekt der kommenden Legislaturperiode. Aus Stadtrats-Kreisen ist bereits zu hören, dass die Baukosten für die Sanierung und Erweiterung einer zentralisierten Mittelschule (letzter Stand: circa 35 Millionen Euro) noch einmal deutlich gestiegen seien. Die Frage wird sein, ob die Mehrheit angesichts dieser Entwicklung am bisher vereinbarten Wunschkonzert mit Lehrschwimmbecken und Lehrertiefgarage festhält.

© SZ vom 30.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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