Ringelnatz:Vergnügt verwirrt

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Tina-Nicole Kaiser und Jürgen Wegscheider gestalteten die Texte. (Foto: Hartmut Pöstges)

Tina-Nicole Kaiser und Jürgen Wegscheider reißen in Münsing mit ihrer Lesung "Ich bin so knallvergnügt erwacht" das Publikum mit

Von Sabine Näher, Münsing

Beim Blick in die Biografie des Schriftstellers, Malers und Kabarettisten Joachim Ringelnatz, der als Hans Gustav Bötticher in Wurzen bei Leipzig 1883 das Licht der Welt erblickte, kann einem regelrecht schwindlig werden. So rasch folgen die unterschiedlichen Lebensorte, Berufe und sonstigen Betätigungen aufeinander. Mal fährt er zur See, dann sitzt er im Gefängnis ein; mal scheint er auf der Erfolgsspur; dann wieder weiß er nicht, wovon er den Lebensunterhalt bestreiten soll.

Obwohl einzelne seiner Aphorismen in aller Munde sind, ist doch erstaunlich wenig über dieses abenteuerliche Leben und Schaffen bekannt. Umso spannender die Ankündigung der Schauspieler Tina-Nicole Kaiser und Jürgen Wegscheider, mit ihrer szenischen Lesung "Ich bin so knallvergnügt erwacht" Einblicke in Leben und Werk Ringelnatz' zu geben: "Anhand seiner Biografie werden viele ausgesuchte Werke des Meisters des Sprachwitzes zu hören sein - mal unverblümt, mal komisch, mal melancholisch, mal nachdenklich." Letzteres Versprechen wurde am Donnerstagabend im voll besetzten "Freiraum" in Münsing absolut eingelöst.

Kaiser und Wegscheider, die ihre Ausbildung beide an der Münchner Schauspielschule Zerboni absolvierten und seit 2010 mit gemeinsamen Programmen auf der Bühne stehen, lasen und gestalteten die Texte mit großer Spielfreude, dem richtigen Gefühl für das Setzen der Pointen und einzelne szenische Elemente, die gleichwohl nicht in Aktionismus ausarteten.

Bunt wie das Leben des Autors geraten die Themen der Texte: Da zernagt ein Holzwurm ohne jeden Respekt die Schnupftabaksdose Friedrichs des Großen; frisst eine wild gewordene Großmutter als Vorspeise den Wolf, zum Hauptgang das Rotkäppchen und schließlich zum Nachtisch den Jäger; endet des Seemanns Traum, eine holde Prinzessin zu erringen, unversehens auf einer harten Holzpritsche oder werden die Gefahren, die von schönen Frauen wie von schönen Katzen ausgehen, beschworen. Es macht Spaß, den beiden Akteuren zuzuhören, sich von ihnen mitreißen zu lassen.

Doch die Verbindung zwischen Leben und Werk wird kaum sichtbar. Einzelne Abrisse zu Ringelnatz' Biografie geraten sehr knapp und sind angesichts deren Verstrickungen eher verwirrend als erhellend. Da fehlt der rote Faden. Das dem Abend zugrunde liegende Konzept, das sich die beiden Schauspieler selbst vorgegeben haben, wäre durchaus noch verbesserungswürdig.

© SZ vom 09.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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