Rettungskräfte:Nächtlicher Tumult am Bahnübergang

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Ein simulierter Zusammenstoß von Auto und S-Bahn diente als eines von mehreren Szenarien der 24-Stunden-Übung. (Foto: OH)

Das Bayerische Rote Kreuz organisiert eine 24-Stunden-Übung, um Notfälle so realistisch wie möglich durchzuspielen

Von Lucie Strauhal, Wolfratshausen

Kurz vor 3 Uhr nachts geht der Alarmruf ein. Aus Richtung der Innenstadt rast ein Feuerwehrauto die Sauerlacher Straße entlang und bremst mitten auf der Bushaltestelle am Wolfratshauser Bahnhof. Wenige Sekunden später folgen weitere Fahrzeuge mit Blaulicht und grellen Scheinwerfern. Einsatzkräfte springen aus den Wagen und laufen in Richtung Bahnübergang. Doch der Anlass war gestellt: Ein simulierter Zusammenstoß von Auto und S-Bahn diente als eines von mehreren Szenarien einer 24-Stunden-Übung am Wochenende, welche das Bayerische Rote Kreuz (BRK) Bad Tölz-Wolfratshausen organisiert hat. Die Vorbereitung für die groß angelegten Übungseinsätze hätten ein halbes Jahr gedauert, die Kosten würden sich auf rund 3000 Euro belaufen, erklärt Jörg Kastner, Kreisbereitschaftsleiter des BRK.

In der Nacht zum Sonntag ist deshalb das gesamte Areal um den Wolfratshauser Bahnhof gesperrt. Über 20 Einsatzfahrzeuge und knapp 150 in Dienstkleidung gehüllte Rettungskräfte sind vor Ort. 27 Schausteller, die als Verletzte auftreten, zwei davon im Auto eingesperrt, müssen behandelt werden. Eine junge Frau sitzt auf dem Fahrersitz eines schwarzen Fahrzeugs. Ihr Kopf ist an die Scheibe gelehnt, ihre Augen sind geschlossen.

"Es gibt ein weltweites Schema, welches das Vorgehen am Unfallort festlegt", sagt Kastner. Zuerst bestimme man die Raumordnung und entscheide, an welchen Stellen die Einsatzwagen halten könnten. Danach würde die vorliegende Gefahr ermittelt und anschließend die Patienten gesichtet sowie anhand einiger Fragen herausgefunden, um welchen Verletzungsgrad es sich handle. Mittels Plastikkarten, die den Patienten umgehängt werden, könnten spätere Sanitäter auf einen Blick erkennen, welche Personen die höchste Priorität bei der Versorgung haben. Grüne Karten stünden für leichte, gelbe für mittlere und rote für schwere Verletzungen. "Besonders schwierig ist es für die ersten beiden Rettungswagen", sagt Kastner. Dieses Vorsichtungsteam würde am Unfallort erste Strukturen schaffen sowie einen Überblick über Lage und Anzahl der Patienten gewinnen.

Im vorliegenden Fall muss jedoch zuerst die Oberleitung abgeschaltet und geerdet werden, bevor der Zug selbst bearbeitet werden könne. Mit einem hydraulischen Gerät wird das Metall des beschädigten Autos durchtrennt, die Tür herausgeschnitten und mit Hilfe einer Glassäge die Frontscheibe herausgenommen. Dann können die Frau und ihr Mitfahrer befreit werden. "Ich bin froh, wieder aus dem Auto raus zu sein und hoffe, dass ich hier gut versorgt werde," flüstert die Schaustellerin Anika Bartscht, die aus ihrem Auto befreit wurde und auf einer Trage in der stabilen Seitenlage in Richtung Krankenwagen geschoben wird. Einem Mann steckt eine abgebrochene Krücke im Bein, ein anderer hat eine offene Unterarmfraktur. "Er ist bewusstlos. Ich habe ihn jetzt intubiert", ruft ein Sanitäter.

Auf einer selbst errichteten Patientenablage mitten am Bahnhof werden die Patienten weiter versorgt, wenn - wie in diesem Fall - nicht genug Krankenwagen zur Verfügung stehen. Dabei sind Material und Ärzte zur Stelle, um Verwundete effektiv zu versorgen. "Man steht schon unter Adrenalin, der Übungseinsatz kommt der Sache sehr nahe", sagt Benjamin Swoboda, der an der Patientenlage steht und den Überblick über die ankommenden Verletzten behält.

Nach eineinhalb Stunden wird es ruhiger am Bahnhof, die Rettungskräfte haben ihre Arbeit vollbracht. Nach dem Übungseinsatz finden sich alle Beteiligten im Schulzentrum Geretsried ein. Dort gibt es eine Nachbesprechung, in der Auffälligkeiten besprochen und die angewendeten Konzepte überprüft werden. Fachdienstleiter Sanität Benno Schreiter scheint sehr zufrieden mit dem Team: "Alles ist so gelaufen, wie es sein soll.

© SZ vom 18.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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