Restaurant Maiwerts:Himbeercoulis im Gutshof

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Ort mit Charakter: Dieter Maiwerts Restaurant und Vinothek. (Foto: Hartmut Pöstges)

Was fehlt, ist eine Prise Aufregung: Das Restaurant Maiwerts in Eurasburg hat sich noch nicht entschieden, ob es Gourmetrestaurant sein will oder nur ein sehr gutes Ausflugslokal. Für ersteres ist zu unkreativ, für letzteres zu teuer. Auf der Mittagskarte findet sich allerdings manch ein Geheimtipp.

Von Tankred Tunke

Zum Spannendsten in der Gastronomie gehören ja Restaurants, in denen knapp unterhalb des Sterne-Niveaus gekocht wird. Weil in der Küche manchmal dieser besondere Ehrgeiz spürbar ist weiterzukommen. Weil der Gast dort mit einer Qualität überrascht werden kann, die er in diesem Lokal nie erwartet hätte. Und das oft zu einem besonders guten Verhältnis von Preis und Leistung.

Wenn Dieter Maiwert mitten in der Postkartenlandschaft südlich von München ein neues Lokal eröffnet, dann erwartet man fast von vornherein, dass es sich um eines dieser "besten Häuser in der zweiten Reihe" handelt, wie es so schön heißt. Schließlich ist der Koch über die Region hinaus bekannt. Im Patrizierhof in Wolfratshausen hielt er bis 2004 einen Michelin-Stern. Und auch in seinen beiden Restaurants am Tegernsee fand die regionale Küche mit mediterranem Einschlag viel Beachtung, zuletzt gab es 15 Punkte vom Gault&Millau.

In Rottach-Egern musste Maiwert schließen, weil der Eigentümer des Gebäudes andere Pläne hatte. Seit Februar hat der Koch das "Elbacher Gütel" in Eurasburg übernommen, dessen Vorbesitzer wegen eines tragischen Unfalls aufgeben mussten. Das Gütel mit seiner preisgekrönten Architektur - ein ehemaliger Viehstall, liebevoll restauriert und durch einen interessanten Anbau modernisiert - fällt bei der Fahrt durchs Dorf sofort ins Auge. Insofern hat "Maiwerts Restaurant und Vinothek im Elbacher Gütel" alles andere als das Zeug zum Geheimtipp.

Das Gütel ist einzigartig gemütlich

Neugierig macht es trotzdem - wegen der Vorschusslorbeeren. Und weil man ein wenig auf diese wunderbare Souveränität hofft, die meist nur erfahrene Köche in der zweiten Reihe haben: Auf den Mut, einen hohen Anspruch zu vertreten, ohne sich fremden Meinungen und dem ganzen Trara für den Tester-Zirkus zu unterwerfen.

Die neuen Räumlichkeiten jedenfalls passen gut zu dieser Art von Selbstbewusstsein: Mit seinen hohen Decken, den honigfarbenen Eichenbalken und den dezent lasierten Bänken ist das Gütel als Speiseraum nicht nur einzigartig, sondern auch einzigartig gemütlich. Auf die Wirkung eines Ortes mit so viel Charakter darf man bedenkenlos vertrauen. Die vielen Ausstellungsstücke moderner Kunsthandwerker, die hier Wände und Regale zieren, haben solche Räume eigentlich nicht nötig. Im Gegenteil.

Dieter Maiwert vor seinem Restaurant Maiwerts im Elbacher Gütel. (Foto: Hartmut Pöstges)

Der Blick in die Speisekarte zeigte dann, dass Maiwert vom Tegernsee nicht nur den Putz, sondern auch die Preise mitgebracht hat. 85 Euro für fünf Gänge ohne Weinbegleitung, das kann man verlangen, muss aber wissen, dass solche Summen die Erwartungshaltung in die Höhe treiben. Nicht zuletzt, weil man für das Geld auch im Zentrum von München hervorragend speist.

Wir entschieden uns jeweils nur für Vorspeise und Hauptgericht. Und um es vorweg zu nehmen: Was folgte, ging zwar handwerklich fast durchweg in Ordnung und war von tadelloser Produktqualität, nur fehlte eben genau jene Prise Aufregung, die man bei einem Essen dieser Liga erwarten darf. Der Edelfischeintopf (Vorspeise, 12 Euro) geriet ebenso schnell wieder in Vergessenheit wie der ansonsten auf den Punkt gegarte Steinbutt mit Safransauce (34) oder das Kalbsfilet mit Morcheln und Erbsenpüree (32). Und das Seeteufel- und Saiblingscarpaccio mit mariniertem Spargel und Himbeercoulis (Vorspeise, 17 Euro) war nicht nur geizig portioniert, sondern auch noch so eisig, dass es die Zunge eher sedierte als reizte.

Katoffelbrei bleibt Kartoffelbrei

Luxusprobleme? Nicht nur. Vielleicht lässt sich das Dilemma am besten am US-Beef mit gebratener Gänseleber erklären. Weil das einerseits zwar angenehm zart war. Anderseits darf der Gast beim Preis von 38 Euro etwas uneinsichtig werden, wenn die einzige Besonderheit der Sauce darin bestand, dass sie etwas zu süß geriet. Und wenn zudem die Portion so klein ausfällt, dass das Fleisch nach drei Happen Geschichte ist. Was die Optik betrifft: Kartoffelbrei bleibt Kartoffelbrei, selbst wenn man ihn in drei Häufchen anordnet und eine gedünstete Spargelspitze als Gipfelkreuz bemüht.

Der Service zeigte sich zwar ausnehmend freundlich, aber das wird irgendwann unerheblich, wenn der Gast auch nach 30 Minuten noch nicht gefragt worden ist, ob er vielleicht etwas trinken möchte. Es scheint, als hätten Dieter Maiwert und sein Team noch nicht ganz entschieden, wie sie ihr Elbacher Gütel positionieren möchten: Als Gourmetrestaurant - dann müssten sie bei Kreativität, Nonchalance und Service ordentlich draufsatteln. Oder als sehr gutes Ausflugslokal - dann müssten sie bei den Preisen abspecken.

Vielleicht zeigt die interessante Mittagskarte einen Weg, die wir bei einem zweiten Besuch im wunderbaren Garten des Hauses testeten. Die Aperitifs waren eine erfrischende Entdeckung (Aperol mit Rhabarbersaft und Zitrone oder Weißer Port mit Tonic auf Eis), der delikate Wildsaibling auf subtil gewürzten Bärlauchgraupen (24) ebenso empfehlenswert wie die Kalbsleber in Balsamicojus (18). Und das Wiener Schnitzel (19) mit seiner herrlich kross-lockeren Panade war sogar ein echter Geheimtipp.

© SZ vom 27.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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