Reden wir über:Das Leben als Krimi

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Zeithistorikerin Ulrike Claudia Hofmann liest aus ihrem neuen Buch über einen ungeklärten Mordfall vor 72 Jahren in Starnberg. (Foto: privat)

Ulrike Hofmann hat zu einem historischen Mord recherchiert

Interview von Nadja Schäble, Wolfratshausen

Im Staatsarchiv München stößt Historikerin und Archivarin Ulrike Hofmann auf einen Mordfall. Eine junge Wolfratshauserin soll in den 1940er Jahren einen Mann ermordet haben. Hofmann ist Krimifan und hat über Fememorde promoviert. Der Fall Cäzilie Bauer lässt sie nicht mehr los. Mehr als ein Jahr lang hat sie sich nun in ihrer Freizeit mit den Originalakten beschäftigt und eine Dokumentation des Verbrechens verfasst. Am Freitag, 20. Dezember, liest sie von 19.30 Uhr an im Stadtarchiv Wolfratshausen (Bahnhofstraße 12) aus "Die Ermittlungsakte Cäzilie Bauer".

SZ: Was hat Sie an diesem Fall fasziniert?

Ulrike Hofmann: Die Person Cäzilie Bauer. Es ist eine junge Frau, sie ist unbescholten, fleißig, arbeitsam und bringt auf brutale Art und Weise einen Mann um. Und das nicht im Affekt, sondern sie geht planvoll vor. Sie ist eiskalt und versucht sogar, den Mord als Selbstmord hinzustellen. Auf der einen Seite hat sie mein Mitgefühl geweckt. Zugleich konnte ich sie kaum ertragen, als ich ihre Gefängnisbriefe gelesen habe. Da war kein Wort von Reue oder Mitgefühl für ihr Opfer.

Cäzilie Bauer wird letztlich verurteilt. Ist das Urteil nachvollziehbar?

Ich denke, dass die Täterschaft relativ klar war. Aber es bleiben Fragen offen. Was war Cäzilie für ein Mensch? War sie wirklich diese eiskalte, berechnende Frau, oder ist sie selbst von ihrer Schwester oder ihrer Kollegin manipuliert worden?

Für Ihre Dokumentation haben Sie zusätzliche Quellen herangezogen wie die erwähnten Briefe.

Der Fall hat mir nicht gereicht, und so habe ich nicht nur über Cäzilie Bauer recherchiert, sondern auch zum Beispiel über ihren Rechtsanwalt. Dabei habe ich Akten gefunden, die so bisher noch nicht ausgewertet worden sind. Der Rechtsanwalt selbst ist eine sehr interessante Person. Er war nationalistisch, hat zugleich aber das Nazi-Regime abgelehnt und war auch Anwalt der Regimegegner.

Das Buch ist kein klassischer Krimi, sondern setzt sich aus den Originalakten zusammen. Wie sind Sie vorgegangen?

Es ist kaum etwas spannender als die Realität. Ein Krimi wäre eine fiktive Geschichte geblieben, aber beim Sachbuch wäre das Authentische verloren gegangen. Ich habe die Originaldokumente genommen und durch Überschriften, Hintergrundinfos und eigene Worte einen roten Faden entwickelt. Die verwendeten Akten sind angegeben, jeder kann mich kontrollieren.

Gibt es Pläne für ein weiteres Buch in diesem Format?

Ja, ich sitze gerade an einem zweiten Buch. Das ist auch wieder ein Mord, dieses Mal in Starnberg in den 1950er Jahren. Hier wurde eine Witwe umgebracht, die verheiratet war mit einem Oberst der Abwehr im Nationalsozialismus.

© SZ vom 20.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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