Rathausgalerie Icking:Die Heimat im Handy

Lesezeit: 2 min

Unterricht in Ruinen: Eine Serie von Handyfotos in der Ickinger Rathausgalerie befasst sich mit dem Thema Schule. (Foto: Privat)

Asylsuchende zeigen Fotos, die sie mit nach Deutschland gebracht haben

Von Sabine Näher, Icking

Eine Gruppe von Kindern läuft durch eine karge, staubige Landschaft. Die Mädchen und Buben sind auf dem Weg in die Schule - ein beschwerlicher Fußmarsch. Mühsamer ist er für einen kleinen, offenbar kriegsversehrten Jungen: Auf Krücken humpelt er den Vorauseilenden hinterher. Das Bild, das in der Ickinger Rathausgalerie zu sehen ist, löst Empathie aus, wie sie Nachrichten kaum mehr hervorbringen könnten. Zwar handelt es sich nur um ein ausgedrucktes Handyfoto. Aber wie alle anderen Exponate stammt es von Menschen, die in Icking als Asylsuchende gelandet sind und einen unverstellten Blick auf ihre Geschichte bieten.

Die Idee zur Ausstellung hatte Annelie Szynka vom Helferkreis Asylhilfe Icking. Die Präsentation ist einfach - die Ausdrucke in DIN-A 4 sind auf weiße Papierbahnen aufgeklebt; die Wirkung ist stark. Unbehagen lösen die Schulbilder aus: Ein Foto zeigt Kinder in einem halb verwüsteten Raum, auf dem nackten Boden sitzend; auf anderen kauern Schüler und erwachsene Frauen unter freiem Himmel. Das einzige Bild aus der Schulserie, das ein wenig Aufbruchsstimmung ausstrahlt, zeigt kleine Mädchen, die sich an den Händen fassen und leuchtend-blaue Unicef-Rucksäcke tragen. Blau - die Farbe der Hoffnung. Sie kommt selten vor in dieser Ausstellung. Stattdessen sieht man "Kabul unter Beschuss": dichte, schwarze Rauchschwaden über einer farblosen Stadt. Daneben unwirklich friedlich "Kabul bei Nacht"; gnädig verhüllt die Dunkelheit die Zerstörung. Dann wieder zwängen sich Autos durch meterhohe Schneemassen - ein Anblick, der Beklemmung auslöst. Daneben ein von einer Lawine halb verschütteter Autobus mit der Aufschrift "Lallinger Winkel Reisen".

Helle Farben, leuchtendes Blau und strahlendes Weiß lassen Fotos von der "Blauen Moschee" in Mazar-e Sharif ins Auge springen. Die Pracht verblasst allerdings angesichts der folgenden Bilder, die dokumentieren, welche Schäden ein Angriff der Taliban angerichtet hat. Selbst Hochzeitsbilder wirken freudlos: Da sieht man ernst dreinblickende Männer, ein paar Knaben, die von einem am Boden aufgebauten Büffet essen.

Die Bilder im Dachgeschoss widmen sich dem Essen: Teigtaschen mit Sauerrahm und Kräutern, als afghanische Spezialität Manto beschrieben, sind ebenso verlockend wie große Obstschalen oder Maulbeeren am Strauch. Das Bild "Apfelernte" zerstört das Wohlgefühl: Da stehen Taliban mit Gewehren im Anschlag zwischen den Bäumen. "Die Taliban kontrollieren die Plantagen und verbieten den Besitzern den Verkauf", ist darunter zu lesen.

Nach all diesen Eindrücken, die bewegen und Fragen aufwerfen, ist die Bilderserie, welche eine Brücke nach Icking schlägt, sehr versöhnlich. "Letzter Tag in Kabul. Abschied von der Verwandtschaft" ist das erste Foto untertitelt. Es folgen Bilder von unterwegs und Eindrücke aus der Ickinger Turnhalle, die als Aufnahmelager diente. Fast beschämt liest man: "Damit verbinden wir gute Erinnerungen." Dann sieht man einige der Asylsuchenden an ihren neuen Arbeitsstätten: bei der Deutschen Bahn, in einer Geretsrieder Firma, einer Autowerkstatt in Icking.

Ausgestellt ist auch eine Skulptur. Diese hat der Syrer Firass Abdulrahman der Gemeinde zum Dank dafür geschaffen, dass er mit seiner Familie hier in Frieden leben kann. Er hat mittlerweile Arbeit gefunden bei einem Steinmetz in Gelting. Der Ickinger Helferkreis Asyl scheint vieles richtig gemacht zu haben.

Geöffnet zu den üblichen Öffnungszeiten des Ickinger Rathauses

© SZ vom 18.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: